Die Pilgerin von Montserrat
Agenbach im Schwarzwald überbringen wolle. Er habe das Gefühl, verfolgt zu werden, und wolle das Kind nicht in Gefahr bringen.Nach zwei Nächten in unseren Mauern reiste er weiter. Den wertvollen Gegenstand hatte er am Fuß des Berges zurückgelassen, in der Obhut eines Schäfers, dem er vertraute. Wir nahmen das Kind namens Gottfried auf und erzogen es in unserer klösterlichen Tradition, bis es groß genug war, seinem Vater ins Römische Reich zu folgen.«
»Friedrich hatte einen Sohn!«, entfuhr es Teresa. Sie warf ihrem Vater einen Blick zu..
»Das erklärt, warum unsere Familie nach dem Tod der beiden Brüder nicht ausgestorben ist«, meinte Froben, der genauso überrascht war wie sie.
»Und was ist mit deinem Bruder Werner?«, fragte Teresa.
»Habt ihr die Chronik des Friedrich von Wildenberg gelesen?«, fragte Bruder Gabriel.
»Ja«, entgegnete Froben, »darin stand, dass er einen Goldkandelaber als Geschenk von Gottfried von Bouillon erhalten hätte, den er ins Kloster Agenbach bringen wollte. Er hatte die Absicht, nach Jerusalem zurückzukehren, um die Gebeine seiner Geliebten zu überführen. Dabei wollte er den Weg über Montserrat und Barcelona nehmen, aber sicher waren wir uns nicht, ob er hierher kommen wollte.« Er schlug sich mit der Hand an den Kopf. »Jetzt wird mir klar, warum er dieses Kloster noch einmal aufsuchen wollte: wegen seines Sohnes!«
Bruder Gabriel sah die beiden mit einem Ausdruck an, den Teresa nicht recht zu deuten wusste.
»Ich muss Euch leider enttäuschen, was die Chronik des Friedrich von Wildenberg betrifft«, begann er zögernd. »Sie ist eine Fälschung. Das heißt, die Berichte über den Kreuzzug entsprechen der Wahrheit – bis auf die Ereignisse und Kämpfe in Jerusalem.«
»Woher kennt Ihr diese Chronik?«, fragte Froben.
»Ein Mönch namens Markus Schenk hat mir erst vor kurzem eine Abschrift geschickt. Ich bin noch nicht dazu gekommen, ihm zu antworten.«
Teresa schoss das Blut ins Gesicht. Warum hatte Markus ihnennichts davon erzählt? Was war so geheim an dieser Sache, dass er ihnen gegenüber nicht offen sein konnte?
»Dieser Mönch weiß nichts davon, dass die Chronik gefälscht ist«, fuhr Gabriel de Montaña fort. »Ich selbst beschäftige mich schon länger mit der Angelegenheit, insbesondere auch mit den Kreuzzügen. Im vorigen Jahr reiste ich nach Jerusalem, mit Billigung meines Abtes, um dort den Rabbi David Saloman aufzusuchen, mit dem ich schon Briefe gewechselt hatte. Er befasste sich ebenfalls mit der Erforschung der Kreuzzüge und übergab mir die Aufzeichnungen eines Zeugen des Massakers, die sich über die Jahrhunderte erhalten haben. Sie wurden in einem geheimen Archiv aufbewahrt.«
»Habt Ihr diese Aufzeichnungen hier?« Teresas Kopf fühlte sich an, als hätte sie Fieber.
Bruder Gabriel nickte bedächtig und bedeutete ihnen zu warten. Er verschwand hinter einer Bücherwand. Als er zurückkehrte, hatte er eine Pergamentrolle in der Hand.
»Dies ist eine Abschrift der Zeugenaussage«, meinte er. »Und seid versichert, dass es keine Fälschung ist.« Er nahm einen Lesestein vom Tisch und begann, den Inhalt des Pergamentes vorzutragen.
»Geschrieben anno 1099 zu Jerusalem von einem Unbekannten, der nicht genannt werden will, weil das schlimme Folgen für ihn haben könnte. Soviel sei gesagt: Ich bin ein Ritter aus dem Heer des Gottfried von Bouillon, der zusammen mit anderen Adligen und Grafen aus Lothringen, Südfrankreich, Italien und dem Heiligen Römischen Reich ausgezogen war, um das Heilige Grab von den Ungläubigen zu befreien. Nachdem wir die Stadt Jerusalem eingenommen hatten – Gott sei den Seelen gnädig, die dabei zu Tausenden den Tod fanden, Gott sei unseren Seelen gnädig, die im Namen des Kreuzes so viel Unheil anrichteten –, schleppten die Ritter alle möglichen Kostbarkeiten aus dem Felsendom heraus. Sie waren blutverschmiert, in ihren Gesichtern lag ein Ausdruck, den zu beschreiben sich mir die Feder sträubt.
Als sich die Nacht herabsenkte, wurde es still an diesem Ort des Grauens. Gott strafe mich für den Entschluss, den ich dann fasste. Ich stieg über die erschlagenen, erstochenen und geschundenen Körper hinweg und ging hinein in das Heiligtum auf dem Tempelberg. Was ich sah, ließ mir das Blut in den Adern gefrieren. Der Boden des achteckigen Raumes war knöchelhoch mit Blut bedeckt. Gräulich zugerichtete Leichen lagen herum, auch Frauen und Kinder. In kurzer Entfernung sah ich zwei Männer und eine Frau,
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