Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Pilgerin von Montserrat

Die Pilgerin von Montserrat

Titel: Die Pilgerin von Montserrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa S. Lotz
Vom Netzwerk:
Schieferdach versehen. Es stand an einem Hang, umgeben von Wiesen und Wäldern. Die Dämmerung war bereits herabgesunken. Mit letzter Kraft stieg Markus aus dem Sattel und klopfte an eine Tür. In einem geräumigen Käfig saß ein Pyrenäenschäferhund mit zottigem Fell und bellte. Ein dürrer Bauer mit gegerbtem Gesicht und einer schwarzen Kappe öffnete ihm.
    » Que tiempo horrido !«, sagte er, öffnete die Tür weiter, damit Markus eintreten konnte, und ging hinaus, um das Pferd zu versorgen. Markus hörte, wie er dem Hund beruhigend zusprach. In der Stube brannte ein prasselndes Feuer im Ofen. Um einen Tisch herum saßen die Bäuerin und sieben Kinder bei ihrem kargen Abendbrot. Der Bauer kam aus dem Stall zurück und bedeutete Markus mit einer Handbewegung, sich zu setzen. Die Wärme des Raumes unddas Essen tauten seine erstarrten Glieder auf. Glücklicherweise war er des Spanischen mächtig, so dass er sich mit seinen Gastgebern verständigen konnte. Die Kinder schauten ihn aus großen Augen an. Woher er komme und wohin er wolle, fragte der Bauer.
    »Ich komme aus deutschen Landen«, antwortete Markus, »und ich will zum Kloster Montserrat, um dort einen Freund zu treffen.«
    Hätte er »Freundin« sagen sollen? Aber das hätte auf die Leute sicher seltsam gewirkt.
    Die Augen der Bäuerin begannen zu leuchten. »Montserrat? Zur Moreneta, der Schwarzen Madonna?«, rief sie. »Ach, wie gern täte ich einmal in meinem Leben dorthin pilgern, zur Madonna beten und den Heiligen Gral sehen!«
    »Da wird unsereiner wohl kaum hinkommen«, brummte ihr Mann und schaufelte sich Milchsuppe in den Mund. »Außerdem soll der Heilige Gral sich nicht mehr dort befinden.«
    »Aber die Moreneta … die würde uns von allem Übel erlösen. Wenn wir sparen …«
    »Ach was!« Der Bauer wischte ihre Worte mit einer Handbewegung weg. »Wer soll für die Kinder sorgen und fürs Vieh, wenn du dir solche Flausen in den Kopf setzt?«
    Die Frau schlug die Augen nieder. »Ich bin ja schon ruhig.«
    Im nächsten Moment schlug sie dem Kleinsten, der etwas von der Milchsuppe verschüttet hatte, auf die Finger. Er begann zu plärren.
    »Das Leben in den Bergen ist sicher sehr hart«, warf Markus ein, um etwas zu sagen.
    »Wir haben es uns nicht ausgesucht«, meinte der Bauer. »Ich habe den Hof von meinem Vater geerbt. Und etwas anderes könnte ich mir auch nicht vorstellen. Ich bin hier geboren und aufgewachsen und liebe das Land, das ich bearbeite.«
    »Hier wird viel Getreide angebaut, nicht wahr?«, fragte Markus.
    »Hafer, Roggen, Emmer, Dinkel, Grünkern, Rüben und Kohl«, antwortete der Bauer. »Das sind die Sorten, die in diesem rauen Klima wachsen. Daneben haben wir noch Kühe, Schafe und Ziegen.«
    »Einen Ochsen und ein Pferd für die Feldarbeit«, krähte eines der Kinder.
    »Eine Frage habt Ihr uns noch nicht gestellt, Herr«, fuhr der Bauer ungerührt fort. »Wie wir es mit der Religion halten.«
    »Wie haltet Ihr es mit der Religion?«
    »Früher war hier alles voll mit den Katharern. Man hätte sie ja nicht gleich totschlagen und verbrennen müssen, aber ich muss sagen, was die gepredigt haben, gefällt mir ganz und gar nicht. Wir haben also immer noch unseren guten katholischen Glauben. Und gehen am Sonntag zu unserer Kirche im nächsten Dorf, auch wenn sie nur aus Holz ist.«
    »Ich habe letztens in der Spinnstube des Dorfes etwas gehört.« Die Bäuerin bekreuzigte sich.
    »Was denn, Frau?« Der Bauer, der neben ihr saß, stieß ihr ermunternd in die Rippen.
    »Es gibt, wird gemunkelt, in der Gegend verlassene Burgen, Klöster oder Eremitagen, in denen nachts Lichter umgehen. Man sagt, das seien die Geister der Katharer, die sich an ihren Peinigern rächen wollen.«
    »Das ist Geschwätz aus Spinnstuben«, hielt der Bauer dagegen. Er gähnte herzhaft. »Jetzt sind wir alle müde und gehen ins Bett«, ordnete er an.
    Markus war es recht, denn er hätte auf der Stelle einschlafen können. Die Frau richtete ihm ein Strohlager neben dem Ofen, holte eine Decke, dann wünschten sich alle eine gute Nacht. Die Kinder tobten lärmend nach oben, begleitet vom Schimpfen ihrer Mutter. Markus schlief sofort ein.
    Einmal in der Nacht wachte er auf und hörte in der Ferne einen Wolf heulen, ein anderer antwortete. Wie bei uns daheim, dachte er. Aber ich bin nicht daheim, ich bin auf dem Weg zu Teresa.
    Als er am Morgen etwas zerschlagen aufstand und das Schaffell vor dem Fenster beiseiteschob, kam er aus dem Staunen nicht mehr heraus.

Weitere Kostenlose Bücher