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Die Pilgerin von Passau: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition)

Die Pilgerin von Passau: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition)

Titel: Die Pilgerin von Passau: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maren Bohm
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er erschrocken stehen: Ein Käfig wurde die Stadtmauer hinuntergelassen. Wie von einem Pendel geschwenkt, baumelte er auf halber Höhe hin und her. Drinnen hockte ein Mensch, zusammengekauert, gekleidet in kostbare Stoffe, die Mitra auf dem Haupt.
    Ein Raunen des Erschreckens und der Entrüstung ging durch das Lager:
    »Der Patriarch von Antiochia!«
    Während nun Tausende gebannt auf den Gefangenen starrten, richteten türkische Bogenschützen ihre gespannten Bogen auf das Herzogtor. Die gewaltigen Portale öffneten sich:
    Ein Zug von Menschen, Frauen, Männern und Kindern, vor allem Kindern.
    »Es sind Christen!«, schrien die Pilger aufgeregt.
    »Eine Schande, dass die Ungläubigen Christen verbieten, auf einem Pferd zu reiten«, schimpfte eine Frau, spuckte aus und drohte mit der Faust.
    Sie kamen ohne Tross, fast ohne Gepäck, hielten Bündel auf dem Rücken, nur so viel, wie ein jeder tragen konnte. Schweigend gingen sie dahin, stumm waren sie, es war, als gäbe es keine Sprache, nur Grauen. Möglicherweise weinte irgendwo weit hinten ein Kind. Zu hören war auf diese Entfernung nichts.
    Ob es alle Christen Antiochias waren, konnte Martin nicht abschätzen. Sie kamen näher in diesem unablässigen Regen. Martin erkannte mühsam Bischof Adhémar, der den Ausgewiesenen, den Flüchtenden, entgegenlief. Den byzantinischen Priester an der Spitze des Zuges begrüßte der Bischof mit dem Friedenskuss, wie er auch die umstehenden armenischen und syrischen Geistlichen mit dieser versöhnenden Geste empfing.
    Wie sollen wir die noch alle miternähren, überlegte Martin und schämte sich gleich darauf dieses Gedankens.

Winter 1097/98, Antiochia/Im Kloster
    »Geld ist Leben«, hatte der Abt beim Abschied im Kloster gesagt.
    Nicht Gott ist Leben, sondern Geld.
    Martin hätte nicht erwartet, dass dieser Satz sich so unmissverständlich bewahrheiten würde. Die Pilger begannen nicht nur Mangel zu leiden, sondern zu verhungern. Je weiter der Winter voranschritt, je kälter und nasser es wurde, je offensichtlicher die Lebensmittel nicht zur Versorgung so vieler Menschen reichten, desto mehr stiegen die Preise. Für eine Eselladung Lebensmittel forderten die armenischen und syrischen ortsansässigen Christen acht Byzantii, das konnten sich nur die wohlhabenden Krieger leisten. Für ein Stückchen Brot, das man früher für einen Denar kaufen konnte, kassierten die christlichen Händler zwei Soldi, ein junges Lamm stieg im Werte auf fünf Soldi und für ein Rind, das man im Herbst noch für zehn Soldi erstand, zahlte man jetzt zwei Mark. Und dazu hatte man ständig das Gefühl, beim Wechseln der Währungen übers Ohr gehauen zu werden.
    Martin fragte sich bedrückt, wie das erst im Februar, im März werden sollte, wenn schon vor Weihnachten keine Nahrungsmittel in der näheren Umgebung von Antiochia aufzutreiben und die Preise ins Unfassbare gestiegen waren.
    Noch hatte Martin Geld. Der Abt hatte sich mit dem Prior um die Summe gestritten. Eines Abends, kurz vor der Komplet, wollte Martin ihn gerne sprechen. Er vermutete den Abt in der Kirche, und so war Martin durch das nur von einer Fackel erleuchtete Refektorium Richtung Kreuzgang gegangen, als er die Stimmen des Abtes und des Priors vernahm. Obwohl beide in gedämpftem Ton sprachen und die Säulen viel vom Klang nahmen, war der Streit nicht zu überhören. Hart forderte der Prior:
    ›Wie die Vögel unter dem Himmel sollen Pilger leben, sich nicht um Geld und Nahrung kümmern, Gott wird ihnen schon genug geben. Es ist Sünde, sich um Geld Sorgen zu machen, ein Stab, eine Flasche für das Trinken, ein Rock, das genügt. Gott wird sein Heer führen und ein Heer Gottes kann nur siegen.‹
    Der Abt widersprach. Gott habe das Geheimnis seiner Gerechtigkeit noch nicht offenbart. Jesus lehre, Gott lasse seine Sonne über Gerechten und Ungerechten aufgehen. Schließlich habe es Gott zugelassen, dass Jerusalem von den Ungläubigen erobert und nun schon über 400 Jahre besetzt sei.
    ›Weil wir als Volk Gottes untätig waren und nicht gekämpft haben‹, entgegnete der Prior.
    ›Damit gibst du zu, dass wir Menschen nach menschlichem Maß für Gott handeln müssen, also beispielsweise Krieg führen. Das heißt, eine bewaffnete Pilgerfahrt wird nach den Regeln dieser Welt geführt, mit Waffen, Belagerungsmaschinen und mit Geld. Es nützt Jesus Christus nichts, wenn die Menschen unterwegs sinnlos krepieren, weil sie verhungern.‹
    ›Du willst nur deinen Liebling retten. Wer weiß, was

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