Die Pilgerin von Passau: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition)
scheußlich. Nur schnell ausspucken. Wie kriegt man diesen Geschmack wieder weg? Da, der Krug. Etwas Wasser ist noch drin. Entsetzlich, es schäumt im Mund. Mit Wasser schmeckt es noch schrecklicher.
Also, ich vergeude meine Zeit. Mir wird schon ganz heiß, obwohl es kalt ist. Von wegen, im Süden ist es heiß und man würde sich nach nichts als nach Kälte sehnen. Kalt ist es. Horch, der Regen prasselt auf das Zelt.
Also, wo würde ich das Essen verstecken? Irgendwo im Boden muss ein Loch, eine Grube sein. Doch zu dunkel, um etwas zu sehen. Ich muss den Boden abfühlen. Schritt für Schritt. Oder? Da unter ihrem Lager könnte das Versteck sein. Ein Kopfkissen haben die Damen, ein Kopfkissen aus Federn. Und Felle, weiche Felle, worauf sie schlafen. Na, das fühlt sich doch an wie eine Grassode. Lässt sich ganz leicht herausnehmen.
Ah, Brot. Krüge sind eingegraben. Wein, Getreide und eingelegter Fisch und gepökeltes Fleisch. Habe ich Hunger, Hunger. Ich denke nur noch Hunger und Kälte. Das Fleisch schmeckt tierisch gut. Wie kriege ich diese Krüge nur aus dem Zelt. Das Brot ist noch ganz frisch.
Stimmen. Das müssen sie nicht sein.‹
»Dass ich jemals bei Bernhard von Baerheim zum Weihnachtsfest eingeladen würde«, hörte die Frau im Zelt eine noch jugendliche Männerstimme auf Französisch sagen.
»Das haben wir Alice zu verdanken.«
»Nur dass die Gäste den Wein selber mitbringen müssen. Ob das wohl alle Gäste müssen oder nur die nicht so vornehmen?«
»Nun, der Herzog Gottfried von Bouillon müsste sicher seinen Wein nicht mitbringen. Aber er würde gewiss auch nicht mit Bernhard feiern, jedenfalls nicht, solange noch Bernhards Vater der Lehnsträger ist. Außerdem ist Gottfried sterbenskrank.«
»Ja, leider«, seufzte der junge Mann, während er die Zeltplane beim Eingang zurückschlug.
»Eine Diebin!«, rief Theresa und zeigte mit dem Finger auf die Frau.
Die Frau drückte das runde, duftende Brot fest an ihren Busen.
»Sie hat die ganzen Lebensmittelvorräte gefunden.« Theresa blickte wütend in die Grube.
Die Frau stand mit furchtsamem Gesicht mitten im Raum.
»Ich habe Hunger«, sagte sie. »Ich bin ganz allein auf die Pilgerfahrt gegangen und habe kein Geld und niemanden, der mir etwas gibt.«
Theresa überlegte kurz: »Du kannst das Brot behalten.« Die Frau wollte entwischen.
Martin hielt sie am Arm fest. »Versuch nicht noch einmal, hier zu stehlen.«
Die Frau nickte, schlüpfte durch die Zeltöffnung und verschwand hinaus in die Dunkelheit.
Martin und Theresa blickten sich ratlos im Zelt um.
Schließlich sagte Theresa tief aus ihrem Inneren:
»Ich frage mich, welche Schuld wir Christen auf uns geladen haben, dass Gott uns so leiden lässt.«
»Nun, der Hunger wird bald vorüber sein. Gleich nach Weihnachten wird Bohemund mit etlichen Tausend Fußsoldaten und Rittern aufbrechen und Lebensmittel für unser Heer erbeuten.«
»Noch sind sie nicht zurück.«
»Den Bauern ihr Getreide und ihr Vieh abzunehmen, dürfte ein Leichtes sein.«
»Trotzdem, Martin, wir befinden uns in Feindesland und den Spähern, Kundschaftern und Spitzeln Yaghi-Siyans in Antiochia entgeht nichts. Ich glaube an den Erfolg der Unternehmung erst, wenn ich die Kühe, Schafe und Ziegen wirklich sehe.«
»Warum so misstrauisch? Ein Heer Gottes, das für Jesus Christus kämpft, muss siegreich sein. Ohne diesen Glauben würden wir hier vor Antiochia verzweifeln.«
»Ich bin auch überzeugt, dass wir Jerusalem erobern und für unseren Herrn Jesus Christus zurückgewinnen werden. Angesichts unserer Leiden frage ich mich, ob es eine Strafe Gottes ist.«
»Aber für welche Sünde?«, entgegnete Martin. »Sicher, die Menschen haben in Gedanken und Taten alle irgendwie gesündigt und die meisten hatten auch für die Teilnahme an dieser Pilgerfahrt eigene Beweggründe, die nichts mit Gott zu tun haben. Natürlich, jeder will seinen Vorteil, sein Glück versuchen. Aber Schuld?«
Martin strich sich über sein Kinn. Er lachte freundlich.
»Du jedenfalls, Theresa, bist schuldlos. Da bin ich mir ganz sicher. Dich wird Gott nicht strafen.«
Theresa schüttelte den Kopf. »Wie kannst du das wissen? Du bist doch noch manchmal richtig grün hinter den Ohren.«
»Na, na, na, du alte Frau von 19 Jahren.«
»Vielleicht auch erst 18. Ganz genau weiß ich nicht das Jahr, in dem ich geboren wurde. Meine Mutter hat sich immer mehr um andere Frauen und Kinder gekümmert als um mich.«
»Sie war Geburtshelferin?«
»Ja,
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