Die Pilgerin von Passau: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition)
noch nicht gelegt, da hat sich Balduin mit Seeräubern verbündet, dänischen, friesischen und flämischen, die sich von Holland auf den Weg gemacht hatten, um den Kreuzzug von der See her zu unterstützen. Beste Gesellschaft ist das nicht, Mörder sind sie alle, aber immerhin wohl nützlich.
Mit Tankreds Leuten war natürlich nichts in Ordnung.
Zu guter Letzt haben wir uns mit ihnen noch eine schwere Schlacht geliefert, es gab auf beiden Seiten Blutvergießen, bis Tankred mit seinen Männern zurückwich und die Flucht ergriff.«
»Das heißt, sie sind jetzt Feinde.«
»Nein, sind sie nicht. Sie haben Frieden miteinander geschlossen. Bischof Adhémar von Le Puy hat Balduin heute vor der Trauerfeier für Godvere ernsthaft ermahnt, er möge nicht aus Eigennutz Christenmenschen den Ungläubigen opfern. Damit ist die Sache erledigt. Tarsos und Kilikien hat Balduin als Herrschaft für sich aufgegeben. Es ist auch nicht unbedingt das Land, das er erobern will: diese mörderische schwüle Hitze.
Aber Godvere ist tot und damit jede Hoffnung auf eine Herrschaft in Frankreich und England. Darum der Aufbruch jetzt nach Edessa. Das Land wird ununterbrochen von den Türken
bedroht, sie zerstören die Felder, bringen Bauern und ihre Familie um. Die Armenier sind schlechte Krieger. Ich denke, Balduin wird einmal kräftig und entschieden diese Überfälle beenden, als Befreier von Not und Pein gelten und als Held gefeiert werden. Thoros, der Fürst von Edessa, der übrigens alt und kinderlos ist, wird dies nicht übersehen können. Balduin wird also irgendeine Art von Herrschaft bei den Armeniern gewinnen.«
Bernhard schwieg, zupfte einen Grashalm und blies hinein. Dann sagte er mehr zu sich selbst als zu Alice:
»Ich habe mich nicht mit Balduin zerstritten, aber es hat eben diese harte Auseinandersetzung gegeben. Und nun habe ich keine Lust, ihn zu sehen.«
Alice war es, als wäre die Bedrückung von ihr genommen. Bernhard empfand und urteilte wie sie, unterschied zwischen Gut und Böse. Sie lächelte erleichtert und fühlte sich sehr sicher.
»Er ist brutal und hartherzig«, äußerte Alice endlich ihre Meinung über Balduin.
»Godvere ist heute Morgen beerdigt und schon rüstet Balduin sich zur Abreise und hält keine Trauerzeit ein. Das ist gegen Gottes Ordnung.«
»Nun, er denkt, unser Herr Jesus Christus sagt: ›Lass die Toten ihre Toten begraben.‹ Schließlich war Balduin für den geweihten Stand bestimmt und kennt sich aus in der Bibel.«
»Ihr Euch offensichtlich auch.«
Bernhard wandte sich ihr zu und sagte streng: »Es ist sehr einfach, entrüstet zu sein, wenn man keinen Vorteil verliert und keinen Nachteil fürchten muss.«
Er schüttelte den Kopf und lachte über sich selbst.
Dann küsste er Alice begehrlich auf den Mund und kam ihr so nahe, dass Alice deutlich seine Erregung spürte. Mit geübten Händen schob er rasch ihren Rock hoch, hielt jedoch unerwartet inne und strich Alice sanft über die Stirn.
»Fort mit deinen Gedanken, Liebste«, bat er, »verscheuch deine nutzlosen Grübeleien. Sieh her! Sieh mich an!«
Mit einem Seufzer schlang Alice ihre Arme um Bernhards Hals.
Antiochia, 21. Oktober 1097
»Sturmangriff!« Graf Raimond von Toulouse ließ seine Fingerknöchel knacken, dass jeder der Heerführer aufschaute.
»Sturmangriff gleich morgen früh in der ersten Tagesstunde. Ein schneller, überraschender, entschlossener Angriff ist die einzige Möglichkeit, Antiochia zu erobern.«
Schweigen.
»Mit Belagerungsmaschinen schaffen wir das nie, wie wir noch von Nikäa wissen«, fuhr Raimond, den Zorn zurückhaltend, fort. »Dazu sind die Befestigungsmauern viel zu mächtig.
Ich bin sicher und ihr solltet es auch sein: Gott, der uns bis hierher geschützt hat, wird uns den Sieg schenken.«
»Da bin ich mir nicht so sicher, dass ein Sturmangriff auf Antiochia Gottes Wille ist. Der Versuch, die Mauern zu erklimmen, würde nahezu das ganze Heer Jesu Christi vernichten. Es wird fast alle unsere Männer das Leben kosten«, wandte Bohemund ein.
»Eben, fast alle Männer«, erwiderte Graf Raimond
»Das sagt sich leicht«, entgegnete Bohemund. »Dieser junge Mann da«, er zeigte mit seinem Schwert auf Martin, »der da so eifrig jedes Wort mitschreibt, wird wahrscheinlich den morgigen Abend nicht mehr sehen.«
Martin setzte den Gänsekiel ab. Am kommenden Tag schon tot? Das sollte das Leben gewesen sein? Er wünschte doch so sehr, Theresa in Antiochia zu heiraten. Gefragt hatte er sie noch
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