Die Pilgerin von Passau: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition)
viel zu betrachten gab es nicht, nur eine Truhe, die ihm auffiel und ihn entzückte.
»Meine Frau liebt mit Messing beschlagene Möbel. Darf ich einmal hineinsehen?«
Der Abt zauderte. Er öffnete sie aber dann doch und forderte Reinhold auf:
»Bitte, werft einen Blick hinein.«
Obenauf war ein kostbares feuerrotes Gewand sorgsam zusammengefaltet, das Hochzeitskleid Felicitas’. Vorsichtig hob Reinhold es heraus. Darunter aber lagen auf einem gelb-braunen Damasttuch die Perlen, die Felicitas in ihrer Todesnacht im Haar getragen hatte.
»Solcher Schmuck bei einer Magd!«, entfuhr es dem Fremden.
Neugierig, ob er noch mehr Kostbarkeiten finden würde, musste er feststellen, dass darunter nur Handschriften lagen, mit ungelenker Schrift geschriebene Rezepturen von Heilmitteln und Ähnlichem. Reinhold warf nur einen flüchtigen Blick auf die Blätter, die der Abt allerdings schon vor Monaten sorgfältig gelesen hatte.
Der Kirchenmann verschloss die Truhe wieder und beschloss, sofort nach dem Aufbruch des Kaufmanns dem Juden Elias den Schmuck für Alice zur Aufbewahrung zu bringen. Das allerdings hieße, er käme spät zum Kloster zurück und könnte nicht die Komplet mit den Mönchen feiern. Das würde dann wohl der Prior Philipp übernehmen.
Wann, so dachte er, während er aus Passau hinausritt, durften Juden endlich in der Stadt siedeln und mussten nicht weit draußen in der Einsamkeit hausen?
Es war schon dunkel, als der Abt seinen Freund Elias verließ. Auf einem verlassenen, dicht mit Schnee bedeckten Waldweg begegnete ihm der Prior. Beide Männer überlegten angestrengt, während sie auf dem schmalen Weg dicht aneinander vorbeireiten mussten, was der andere in dieser scheinbar gottverlassenen Einsamkeit wohl suchte.
Bedrohungen, Februar – 28. Juni 1098
Am 8. Februar 1098, einen Tag vor dem Beginn der Fastenzeit, gaben sich Theresa und Martin vor dem Zelt, in dem die Morgenmesse zelebriert werden sollte, das Eheversprechen. Sie bekräftigten, dass sie nicht verwandt seien und freiwillig in Liebe den Bund der Ehe schlossen. Bischof Adhémar segnete sie, worauf sich die Hochzeitsgesellschaft in das Zelt zum Gottesdienst begab.
Doch kaum war die Messe beendet, hörten sie ein Flüstern, aufgeregte, wenn auch gedämpfte Stimmen tuschelten, der mächtige Ridwan von Aleppo hätte seinen Streit mit Yaghi- Siyan beigelegt und wäre schon auf dem Weg, das Kreuzfahrerheer anzugreifen.
Theresa schloss die Augen für einen Augenblick, sah bereits Martin, angetan mit Rüstung, Schwert und Speer davonreiten und nie wiederkehren.
Nur fortreitend konnte sie sich Martin vorstellen. Nein, dachte sie, Bilder sind Lug und Trug. Sie zwang sich, an ihre Hochzeit zu denken.
Auf den Brautlauf musste verzichtet werden, da Theresa keine Eltern mehr besaß und somit nicht in das Haus des Ehemannes geleitet werden konnte. So sollte gleich nach der Messe die Ehe durch den Beischlaf des Brautpaares vollzogen und damit rechtsgültig werden. Da das Brautpaar ohne Verwandtschaft war, hatte Bischof Adhémar als Zeugen des Aktes Markus als Priester und Freund des Bräutigams, Bernhard als Sachverständigen und Vertreter des Adels bestimmt sowie seinen neuen Bannerträger Léon von Orléans, einen mutigen, kampferprobten jungen Adeligen mit ausgesucht angenehmen Umgangsformen. Martin schätzte ihn ebenso wie seinen kürzlich beim Kampf auf der Steinernen Brücke umgekommenen Vorgänger. Seine Gegenwart wusste Martin als besondere Ehre zu würdigen.
Alice, Freundin und Vertraute der Braut, sollte zum Schluss den vollendeten Akt durch Untersuchung der Braut feststellen.
Sofort nach der Messe fanden sich die geladenen Gäste im Zelt Alice’ und Theresas ein. Das Brautpaar hatte sich überlegt, dass das Hochzeitsessen erst nach dem vollendeten Vollzug der Ehe gereicht werden sollte, damit später niemand behaupten könnte, sie hätten die Zeugen betrunken gemacht.
Kaum dass alle anwesend waren, zogen sich Theresa und Martin, wie verabredet, gegenseitig aus. Martin wandte sich darauf den Gästen zu, um zu zeigen, dass sein Geschlecht in Ordnung sei. Desgleichen tat Theresa, wobei man bei ihr naturgemäß außer einem schönen Busen wenig sehen konnte.
Martin nahm sich die Zeit, in das Gesicht eines jeden zu blicken. Léon schaute freundlich und ein wenig teilnahmslos drein. Markus hingegen wirkte aufgeregt, wenn nicht erregt. Sicher hatte er feuchte Hände. Er schämte sich wohl auch, weil er als Mönch das Gelübde der Keuschheit
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