Die Pilgerin von Passau: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition)
Vorstreit eröffnen durften! Er wollte Ruhm, er wollte Ehre, die höchsten Werte eines Ritters. Hatte niemand bemerkt, dass er stets zusammen mit Balduin von Boulogne in der ersten Reihe gekämpft und sich blutbeflecktes Lob schon längst verdient hatte?
Endlich, so schien es ihm, hörte er den Herzog seinen Namen rufen, sogar als einen der ersten. Warum nur hatte sich sein Herz so zusammengekrampft?
Eine tiefe Stille lastete auf allen, nachdem der Herzog die Namen der von ihm ausgezeichneten Ritter bekannt gegeben hatte.
Bernhard sah Martin ganz in seiner Nähe stehen, sein Name war nicht gefallen. Fehlte es ihm an Tapferkeit oder fürchtete der Bischof um das Leben seines Sekretärs? Oder war er einfach zu jung?
Auch Graf Otto, Bernhards Vater, gehörte nicht zu denjenigen, die Herzog Gottfried für den ersten Angriff auserwählt hatte. Sein Vater stand nicht weit von Bernhard entfernt und warf ihm einen Blick zu, den Bernhard deutete als eine Mischung aus Neid, Starrsinn und Hochmut. Wie gut, dass er nicht mehr mit seinem Vater in einem Zelt leben musste, seitdem er nach der Schlacht bei Doryläon ein kostbares Zelt von den Türken erbeutet hatte.
Die tiefe, angenehme Stimme Adhémars, in die trotz aller Strenge ein weicher Unterton gemischt war, unterbrach Bernhard in seinen Gedanken. Der Bischof forderte die Ritter auf, zur Beichte niederzuknien. Willig leisteten sie ihm Folge. Es war jedem der Männer deutlich klar, dass er den Anbruch des kommenden Abends nicht mehr auf Erden erleben könnte.
Dann waren sie entlassen. Ein jeder ging so heimlich des Weges, wie er gekommen war.
Es umfing Bernhard die todesstille Nacht. Sicher, er hätte nichts anderes ertragen, als in der ersten Reihe kämpfen zu dürfen, es gab da eigentlich nichts zu überlegen, schließlich war er zu nichts anderem erzogen worden als zum Kampf, zum Krieg. Von klein auf lief seine Ausbildung zum Ritter darauf hinaus, ihn furchtlos und kampfbegierig zu machen, die Schlacht als Ziel des Lebens.
Wieso dachte er über die Gefahr nach, während er über die flussnahen Wiesen zurück zum Lager ging und dabei mit jedem Schritt in einem unsichtbaren Matsch versank? Der feuchte Schlamm klebte an seinen Schuhen, die Strümpfe waren schon längst durchnässt, die Beinlinge verdreckt bis zum Knie.
Dann fing es auch noch an zu regnen, plötzlich, heftig, ohne die zarte Vorwarnung von einzelnen Regentropfen ergoss sich die Flut über ihn. Bernhard fühlte, wie das Wasser seine Haare durchnässte, das Gesicht herunterrann, die Kleidung durchfeuchtete. Da hieß es, in Syrien sei es unerträglich heiß, stattdessen war der Winter ekelhafter, kälter und unangenehmer als in Passau. Dort lag nun Schnee, lag auf dem Wohnturm der Burg, den Mauern, auf Bäumen und bedeckte, weiß in der Sonne glitzernd, die Wiesen. Er liebte es von Kind auf an, durch den sonnenbeschienenen Schnee zu reiten.
Welch eine aberwitzige Vorstellung, wies er sich zurecht. Erst wünschte er, mit Alice verheiratet zu sein. Betonung auf: zu sein , sie als Ehefrau zu besitzen, obwohl es doch sehr wohl bekannt war, dass die Liebe vor dem Ehebett die Flucht ergriff.
Und dennoch schätzte und brauchte er fast nichts so sehr, als mit Alice abends sich gegenseitig das Haar zu kämmen und die unvermeidbaren Nissen aus den Haaren zu zupfen. Es war wie eine Andacht, das Beilager erfolgte immer erst hinterher, sofern sie einen nur einigermaßen ungestörten Ort fanden, das hieß, einen Platz, an dem nicht Fremde zusehen würden. Denn dass seine Zeltgenossen oftmals dabei waren, musste er als unvermeidbar hinnehmen.
Mit einem Male wusste Bernhard es genau, er würde niemals in seinem Leben einer anderen Frau gestatten, ihm die Haare zu kämmen.
Das ist der Tod, dachte er. Wenn dir solche Vorstellungen im Kopf herumspuken, ist das der Tod. Tausende von Feinden werden es sein, morgen.
Bernhard warf einen erzürnten, wütenden Blick in Richtung Antiochia, das er aber nicht sehen, sondern nur erahnen konnte. Jedenfalls hatte der Regen auch seinen Nutzen, er würde die Wachsoldaten davon abhalten, sich allzu gerne auf dem Befestigungsring aufzuhalten, und sie würden stattdessen das Hocken in einem der Türme bevorzugen. Doch morgen, bei Anbruch des Tages, würden diese Krieger feststellen, dass die Ritter mitsamt den Pferden verschwunden waren, und es wäre nicht allzu schwer zu erraten, dass die Christen dem türkischen Entsatzheer entgegengeritten waren, um es zum Kampf zu stellen. Dann
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