Die Pilgerin von Passau: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition)
abgelegt hatte. Von Bernhard hatte Martin erwartet, dass er entweder hämisch, verächtlich oder lüstern dem Akt zusehen würde. Stattdessen aber war er auf eine natürliche Weise würdevoll. Der geborene Herrscher, konnte sich Martin nicht enthalten zu denken.
Alice, deren Leibesfrucht sich nun schon deutlich unter ihrem Kleid abzeichnete, gab sich offensichtlich Mühe, freudig auszusehen, zumindest aber weder traurig noch neidisch. Sonderbar, fremdartig erschien es ihm, dass er diese Frau einmal begehrt hatte.
»Lass uns daran denken, dass wir uns von Herzen lieben«, flüsterte Martin Theresa ins Ohr. Sie nickte und nahm ihn bei der Hand.
Wie von den Anwesenden erwartet, legten sich Martin und Theresa auf das gemeinsame Lager, dass sie für die Zeremonie von der Zeltwand abgeschoben und mitten in dem Raum platziert hatten, sodass die Zeugen sich, wenn sie es wünschten, um das Lager herumstellen konnten.
Es war wie sonst auch, es bedurfte nicht ausführlichen Streichelns und Küssens, damit Martin erregt wurde. Er liebte ihren Körper, jede Rundung, jede Beuge, den Duft ihrer Haut und ihres Haares. Theresa war für ihn vollkommen.
Ohne Weiteres drang er sofort in Theresa ein. Martin sah in das Gesicht seiner jungen Frau und fand sie schön wie noch nie. Vielleicht war es das Licht der vielen Kerzen, das ihrer Haut diesen wunderbaren schimmernden Glanz verlieh. Vielleicht war Theresa glücklich. Er fühlte ihre zierlichen Füße, wie sie sich an ihn schmiegten. Martin lächelte Theresa zu und sie lächelte zurück. Theresa war ihm fremd und vertraut zugleich. Ein Wunder, dass sie seine Frau wurde. Einen Augenblick fühlte er so etwas wie Triumph, dieses kostbare Wesen sein Eigen zu nennen.
Martin hatte sich vorgenommen, den Akt nicht zu kurz zu halten, damit auch Theresa Freude empfände und ihre Lust den Zuschauern deutlich würde. Andererseits wollte er ihn auch nicht zu sehr in die Länge zu ziehen, damit man ihm nicht Unfähigkeit vorwerfen könnte. Es geschah alles nach Wunsch. Während des Höhepunktes hatte Martin sogar das Gefühl, mit Theresa allein zu sein. Oder sehnte er sich nur danach?
Nachdem die Ehe vollzogen war, klatschten die Gäste. Ein Hoch- und ein Jubelruf ertönte. Alice ging zu dem Lager. Eine Defloration konnte sie nicht feststellen, wohl aber den vollzogenen Akt. Bernhard reichte Alice ein Gefäß mit Wasser und Seife, sodass sie ihre Hand waschen konnte.
Das Ehepaar erhob sich, lächelte den Gästen freudig zu und zog sich die Festtagskleider an. Theresa wickelte das feine, durchsichtige Tuch, das sie nun als verheiratete Frau trug, um ihr Haar. Als Nachtisch wurde zu dem Wein Brot, Fleisch und Gebäck gereicht. Die Hochzeitsgeschenke wurden mit Freuden in Empfang genommen und zum Erstaunen aller spielte Bernhard auf seiner Laute zum Tanz.
Es war bereits Abend, als Alice den Ritter von Baerheim vor sein Zelt begleitete, im Eingang stehen blieb und ihn schweigend anblickte. Es fröstelte sie trotz der braunen Decke, die sie sich um die Schultern gelegt hatte und nun mit beiden Händen festhielt.
Sie sieht blass aus, dachte er, und irgendwie unförmig. Sogar das Gesicht wirkt nicht mehr liebreizend oval, sondern eckig, wohl von der Schwangerschaft. Im Moment ist sie nicht gerade eine Schönheit, stellte er nüchtern fest.
Doch seine Hände empfanden anders als seine Gedanken. Er strich ihr zart über das Gesicht. Alice lächelte, versank jedoch gleich wieder in ein schier unergründliches Schweigen.
»Sei beruhigt. Man wird dir nichts tun so wie dem Paar neulich. Sie werden dich nicht auspeitschen oder brandmarken. Allein die Leibesfrucht schützt dich – und natürlich ich.«
Ihr seid der Urheber meiner Leiden, dachte sie, während Bernhard überlegte, dass die Schwangerschaft wohl bald so weit fortgeschritten war, dass er sich Alice nicht mehr nähern durfte. Die Sitte gebot es, der Schutz des ungeborenen Kindes hätte Vorrang vor seinen Bedürfnissen. Und natürlich hätte er auch die Fastenzeit zu beachten. Leider.
Es verwunderte ihn, dass er sich dennoch so zärtlich zu Alice hingezogen fühlte. Es war nicht Mitleid, was er empfand. Er verachtete Mitleid. Niemals sollte es einen Augenblick geben, in dem irgendein Mensch Mitleid mit ihm hätte. Nein, es war etwas anderes, was ihn zu Alice führte. Es war der leichtsinnige Wunsch, sie mit den Worten anzusprechen:
›Alice, meine liebste und liebenswerteste Gattin, unserem Kinde und allen Vasallen unseres Geschlechts
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