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Die Pilgerin von Passau: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition)

Die Pilgerin von Passau: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition)

Titel: Die Pilgerin von Passau: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maren Bohm
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unterbrach das Schweigen, indem er Reinhold zu den Lagerräumen führte. Doch trotz seines geschäftlichen Interesses, trotz der Notwenigkeit, eine richtige Entscheidung zu treffen, wirkte der junge Kaufmann zerstreut.
    »Ist es etwas Bestimmtes, wonach Ihr fragen möchtet?«, ermunterte ihn der Abt.
    »Ja«, druckste der andere. »Ich würde gerne den Tanzsaal sehen.«
    Der Abt hob die Augenbrauen, lächelte dann und führte seinen Gast durch den düsteren Gang die dunkle, steile Steintreppe hinauf. Die Flammen ihrer Fackeln warfen Schatten gegen die kalten Wände.
    Wie damals, ging es dem Abt durch den Sinn.
    Er fühlte, dass es seinem Gast unheimlich zumute war, ein Gefühl, das sich zu verstärken schien, als sie nun in dem Tanzsaal stehen blieben, der sie wie ein schwarzer Moloch umhüllte. Es war, als würde der Schein der Fackeln nur die Schwärze des Raumes vertiefen. Totenstill war es, keine Menschenseele war zu hören, lediglich aus dem Zwischenfußboden drang das Rascheln und Huschen der Mäuse und Ratten zu ihnen hinauf.
    Reinhold war gänzlich verstummt.
    »Was wollt Ihr wissen?«, erleichterte der Abt ihm den Gesprächsbeginn.
    »Es gehen über diesen Tanzsaal Gerüchte in Passau um«, sagte Reinhold fast flüsternd, so als könnten seine Worte Geister hervorrufen.
    »Es heißt, dass sich hier vor vielen Jahren ein furchtbarer Unfall ereignet hat, vielleicht sogar ein Mord. Ja, dass die Herrin des Hauses ermordet wurde.«
    »Das heißt, Ihr wollt das Haus nicht kaufen oder habt Eurer Frau versprochen, es nicht zu erwerben, wenn sich diese Gerüchte als wahr erweisen und hier noch der Geist der Verstorbenen umhergehen könnte.«
    Reinhold nickte: »So ist es.«
    »Es war damals ein glänzendes Fest, zu dem jeder, der Ansehen und Reichtum in Passau besitzt, geladen war. Das Licht unzähliger Kerzen erhellte diesen wunderbaren Raum, dessen Wandmalereien Ihr jetzt nur erahnen könnt. Es sind biblische und antike Szenen. Also nichts von Heimlichkeit und Dunkelheit, wie man es bei einem Verbrechen vermuten könnte. Felicitas, die Herrin des Hauses, um deretwillen die Festlichkeit stattfand, fühlte sich an diesem Abend nicht wohl, sie war blass und ihr war schwindelig.«
    Der Abt machte eine Pause und sah Felicitas wieder Karl gegenüber am Tisch sitzen und ihn aus schmalen, kalten Augen beobachten, wie er den Humpen Wein zum Mund führte und trank.
    Damals, in dieser Nacht, war er selbst an sie herangetreten, hatte das Wort an sie gerichtet. Zum ersten Mal, nach monatelangem Schweigen und Nichtbeachten, hatte er Felicitas zum Tanz aufgefordert. Zögernd war die junge Frau ihm auf die Tanzfläche gefolgt. Die Perlen in ihrem roten Haar schimmerten und ließen die Blässe ihres Gesichtes noch deutlicher hervortreten. Unendlich schön und begehrenswert fand er sie in dieser Nacht.
    »Wohl weil ihr in der Tat schlecht war, verließ die Herrin den Tanzsaal. Ihr Ehemann und ich folgten ihr. Auf der Steintreppe berührte mein Bruder Karl versehentlich ihren Rücken. Aber er stieß seine Frau nicht. Sie erschrak, stolperte, verlor das Gleichgewicht und stürzte die Treppe hinunter.«
    »Das ist alles?«, fragte Reinhold. Der Abt dachte: fast. Denn das für ihn damals so Schmerzliche war, dass Felicitas mit blutüberströmtem Gesicht und Haar unten auf dem Steinfußboden lag und, kaum noch bei Sinnen, nicht den Namen ihres Gatten Karl hauchte, sondern seinen. ›Daniel‹ war die Botschaft, die die Sterbende den Umstehenden auf ihren weiteren Lebensweg mitgab. Sollten sie damit fertig werden, sollten sie daran krepieren.
    »Doch auch wenn die Ereignisse sich anders gestaltet hätten, wenn es tatsächlich Mord war, so sollten wir uns vor magischem Denken hüten. Wir sind Christen, weil wir glauben, dass Gott uns die Welt geschenkt hat, damit wir sie uns untertan machen. Es gibt keine Wiederholung, keine dämonischen, keine bösen, verbotenen Orte. Mit jedem Neugeborenen beginnt eine neue Geschichte mit Gott. Und dieses Haus ist es wert, dass Menschen hier wieder wohnen und fröhlich sind. Ihr habt doch Kinder, wie ich hörte.«
    »Ja, zwei Söhne«, sagte Reinhold stolz und erleichtert. »Und meine Frau ist jetzt wieder schwanger. Eine gute Amme haben wir schon. Ich würde deswegen gerne auch die Gesindekammern sehen.«
    »Gerne«, sagte der Abt und machte eine einladende Handbewegung.
    Er öffnete die Tür zu Marthas Kammer.
    Da – ihr Lager.
    Er schloss einen winzigen Augenblick die Augen.
    Reinhold sah sich um,

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