Die Pilgerin von Passau: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition)
bevorstehenden Schlacht sehen, um vielleicht sogar Bernhard erkennen zu können.
Wie in einer Prozession schritten Priester und Mönche in weißen Gewänder, singend um Gottes Hilfe und die Fürbitte der Heiligen flehend, dem Heer voraus, gefolgt von Hugo von Vermandois’ Bogenschützen, die bereits die Brücke über den breiten Fluss überquert hatten und nach rechts abbogen, dem Flusslauf entlang, um nicht von allen Seiten eingeschlossen werden zu können. Es folgten auf ihrer linken Flanke die Schlachtreihen Herzog Gottfrieds von Bouillon. Die Priester und Mönche schlossen sich dem Heer Bischof Adhémars an, der seine Abteilung geradewegs über die weite Ebene zu den Antiochia gegenüberliegenden Hügeln führte.
Um die Kämpfer Kerboghas abzuwehren, die von hinten aus der Richtung des St.-Georg-Tors angreifen würden, wandten sich nun Ritter und Fußsoldaten unter der Führung Renaud von Touls nach links den Fluss entlang. Jetzt ritt Bohemund auf einem prächtigen Pferd über die Brücke. Er überragte jeden Mann, sei er Franke, Byzantiner oder Türke. Aus Hochmut hatte er noch nicht einmal seinen Helm aufgesetzt, sodass sein weißblondes Haar nur so in der Sonne schimmerte. Achtunggebietend und schrecklich war er anzusehen. Er hatte für die Schlacht die meisten Pferde erhalten, denn seine Abteilung würde die äußerste Schlachtreihe bilden, um die anderen Heeresteile zu decken und ihnen rasch zu Hilfe zu kommen, wenn sie im Kampf nachließen. Alice sah, wie er sich am anderen Ufer seinen Helm aufsetzte.
Nun, da alle Heeresabteilungen die Brücke überquert hatten, war die weite Ebene vor Antiochia nur so mit Bannern übersät, aber nicht mit den Fahnen der jeweiligen Grafen, sondern mit den Bannern der Heerführer, sodass kein Kämpfer sich in der Schlacht verlor.
In der Ferne nahm Alice einen einzelnen Reiter mit einer weißen Fahne wahr, wie er auf den Legaten des Papstes zuritt. Bischof Adhémar ließ seine Heeresabteilung anhalten und erwartete den Boten Kerboghas in vollkommener Ruhe. Auch sein Pferd stand still, als sei es aus Stein gehauen.
Alice schloss die Augen zu einem Schlitz, um genauer erkennen zu können, was da vor sich ging. Was wollten die Türken? Ließ Kerbogha dem Legaten des Papstes den Vorschlag unterbreiten, er sei jetzt zu einem Zweikampf von jeweils zehn Kriegern bereit? Alice krampfte sich das Herz zusammen.
Bloß keinen Zweikampf, bitte, Gott, keinen Zweikampf, lieber eine ganze Schlacht als diesen Kampf auf Leben und Tod zwischen zwei Männern.
Der Abgesandte Kerboghas und der Legat des Papstes kamen offenbar zu keiner Einigung, denn kaum hatte der Bote gewendet und ein vermutlich verabredetes Zeichen gegeben, da galoppierten, ihre fürchterlichen Schlachtrufe ausstoßend, wohl 2.000 Bogenschützen auf wunderbaren, schnellen Pferden auf die Abteilung Hugo Vermandois’ zu.
Das kannte Alice schon, den Angriff mit unzähligen nadelspitzen Pfeilen, darauf blitzschnell die Pferde gewendet, kurze Flucht und wieder Angriff und dies immerfort, bis die Christen vernichtet wären.
Alice hielt den Atem an und presste ihren Sohn fest an die Brust. Es war ihr, als schwirrten um sie herum Pfeile und sie sah sich selbst in der Schlacht von Doryläon, wie sie den Männern Wasser brachte, in ständiger Angst, selbst getroffen zu werden.
Jedoch noch ehe die Türken den ersten Pfeil aus den Köchern ziehen konnten, fielen die Bogenschützen Hugos von Vermandois’ ihrerseits mit Pfeilen über die türkischen Krieger her und drängten mit vor die Brust gehaltenem Schild die Feinde zurück. Die Angegriffenen ergriffen die Flucht – und brachen zusammen. Pferd um Pferd wurde von den Bogenschützen Hugos von Vermandois’ abgeschossen. Alice hörte die Schmerzensschreie der Pferde.
»Ha, jetzt müssen diese Feiglinge endlich ehrlich Mann gegen Mann kämpfen«, hörte sie hinter sich eine sehr vornehme Dame verkünden. Alice drehte sich um, es war tatsächlich die Gattin des Grafen Raimond von Toulouse, die sehr zufrieden auf das Gemetzel unter sich hinunterblickte. Auf der Befestigungsmauer brach allgemeiner Jubel aus, aber nur einen Augenblick, denn nun jagten Zigtausende von Feinden in Schlachtreihen geordnet auf die Heere Hugos von Vermandois’, Herzog Gottfrieds und Robert von Flanderns zu. Über die Ebene hinweg blitzten die Banner der feindlichen Feldherren, fürchterliche, unverständliche Schlachtrufe drangen durch Mark und Bein und ebenso schrecklich antworteten die Christen:
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