Die Pilgerin von Passau: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition)
unseren Sünden zu reinigen und durch das Sakrament des Herrenleibes zu stärken, habe ich in den Kirchen vergeblich nach ihm gesucht.«
»Und – wo war Martin?«
»Beim Herzogtor. Genau an der Stelle, an der Theresa enthauptet wurde, lag er in Kreuzesform auf dem Boden und betete. Er hat sich aber sofort erhoben und ist mitgekommen, als ich ihm sagte, worum es ging.«
»Worum geht es denn? Was steht denn in der Pergamentrolle?«
»Es ist eine Verfügung nach meinem Tod. Unser Sohn Hanno wird von Bischof Adhémar als dem Legaten des Papstes für legitim und damit für erbberechtigt erklärt, sofern ich bei dieser Schlacht oder überhaupt bei unserer bewaffneten Pilgerfahrt ums Leben komme. Wenn ich sterbe, wird unser Sohn Graf von Baerheim und die Linie unseres Geschlechts fortsetzen.«
Alice stand bewegungslos da und starrte Bernhard an.
»Du freust dich gar nicht?«, fragte er.
Alice schüttelte den Kopf.
»Weißt du eigentlich, wie schwierig es war, Adhémar zu seiner Einwilligung und Unterschrift zu bewegen? Da predigt er die ganze Pilgerfahrt Keuschheit, da verhängt er Strafen gegen Menschen, die unsittlich leben! Und nun unterschreibt er eine Urkunde, die unseren Sohn, der in Unzucht gezeugt wurde, als rechtmäßig anerkennt, obwohl du nicht einmal adelig bist.
Kannst du dir vorstellen, warum der Legat des Papstes sich dazu bereit erklärt hat und tatsächlich diese Urkunde hat ausfertigen lassen? Deswegen!«, sagte Bernhard scharf und wies hinunter in die Ebene von Antiochia.
»Da draußen warten die Türken nur darauf, uns zu vernichten. Kerboghas Heer ist mindestens viermal so groß wie das, mit dem Wilhelm der Eroberer England eingenommen hat. Es ist das größte Heer, gegen das jemals Christen haben ankämpfen müssen. Keiner unserer Männer, die sich jetzt versammeln, glaubt daran, den heutigen Abend noch zu sehen. Jeder hat in der letzten Nacht über sein Leben nachgedacht, seine Sünden bereut und sich auf den Tod vorbereitet. Nur ich bin durch Antiochia gelaufen, habe meinen Vater gesucht und Martin und Bischof Adhémar aus der Kathedrale von St. Peter weggeschwatzt. Zwischen zwei Messen habe ich ihn endlich zu fassen gekriegt. Adhémar wollte mich gar nicht anhören, sondern den Männern Trost spenden, die Beichte abnehmen und das Heilige Abendmahl feiern. Unwillig hat er sich darauf eingelassen. Und dann komme ich kurz vor dem Morgengrauen zu dir ins Frauengemach – und du bist nicht da, du bist fort.«
Alice fühlte seinen Schmerz.
Verlegen nahm sie Bernhards Hand und sagte:
»Ich danke Euch. Aber Ihr werdet nicht sterben.« Alice biss sich auf die Lippen. Das waren schale Worte.
Er ließ sie auch unbeachtet.
»Es könnte durchaus geschehen, dass sogar Bischof Adhémar bei der Schlacht ums Leben kommt. Da Graf Raimond von Toulouse zu krank ist, wird Bischof Adhémar das Heer des Grafen anführen. Falls wir alle fallen sollten, bring die Urkunde zurück nach Passau.
Der Abt, dein Onkel, wird dir dabei helfen, dass die Legitimation tatsächlich durchgesetzt wird und das Lehen der Grafen von Baerheim nicht an die Krone zurückfällt.«
Es geht dir gar nicht um mich und unseren Sohn, dachte Alice bitter, es geht dir nur um das Fortleben deines gräflichen Geschlechts.
Alice fühlte, wie sie rot wurde, und war froh, dass Bernhard das beim Flackern der Fackeln nicht bemerkte. Um irgendetwas zu tun, nahm sie den Jungen aus dem Tragetuch und hielt ihn im Arm.
Bernhard beugte sich zu Hanno und betrachtete ihn aufmerksam.
»Ich habe ihn noch nie gestreichelt«, bemerkte er. Und dann, Alice sah es mit Erstaunen, strich Bernhard seinem Kind sanft und zärtlich über die Wange.
Er räusperte sich.
»Unser Sohn sieht gesund aus.«
»Dank Euch. Ihr habt mir alles Essbare gebracht, was Ihr nur auftreiben konntet. Ihr habt für uns gehungert.«
Alice hörte leise Schritte hinter sich, sie blickte sich um.
Auf der Mauer erschienen Priester in weißen Gewändern und barfuß, die betend von Wehrturm zu Wehrturm schritten. Überhaupt begann die Befestigungsmauer sich zu bevölkern. Frauen stiegen die Treppen hinauf, um den bevorstehenden Kampf zu beobachten, Bogenschützen bezogen ihre Stellung.
»Sag, Alice, woran hast du gedacht, als ich kam? Du hast dich ja sichtbar erschrocken. ›Nichts‹ ist ein bisschen wenig als Antwort.«
»Ich dachte an den Zweikampf.«
»Der nicht stattgefunden hat. Kerbogha hat unser Angebot verschmäht.«
»Ich stellte mir vor, dass Ihr, bevor der Kampf
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