Die Pilgerin von Passau: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition)
Tiere.
Doch dann formierten sich die Männer, Alice sah, wie sich die Banner Gottfrieds langsam auf Bohemunds Abteilung zubewegten, Gottfried mäßigte offenbar den Lauf seiner wenigen Pferde, sodass die Ritter ohne Pferd und die Fußsoldaten mit den Reitern Schritt halten konnten und sie als Einheit zusammenblieben. Alice wünschte nun mit ganzer Kraft und Seele, Bernhard möge unter den Männern sein, die jetzt Bohemunds Abteilung erreicht hatten und sich mit fürchterlichem, Tod und Mord ankündigendem Geschrei in den Kampf warfen.
Der große Kerbogha aber mit seiner Hauptstreitmacht war immer noch nicht auf dem Schlachtfeld erschienen. Alice hatte ihn und sein unermesslich starkes Heer jeden Augenblick erwartet.
Endlich kam er, fast ersehnt und mehr als der Tod gefürchtet, galoppierten Kerboghas Krieger heran auf Pferden, schneller als der Wüstenwind, vor Waffen starrend, siegesgewiss. Unzählig viele, mit ihren Bannern schön und leuchtend anzusehen wie die Sterne am Himmel, kraftvoll wie Löwen, gefährlich wie Skorpione, listig wie Schlangen. Jetzt ginge das Morden erst recht los, der tönende, klirrende, blutrünstige, hässliche Reigen des Todes. Das Abschlachten.
Alice wusste es, das würde, das könnte Bernhard nicht überleben.
Gebannt stierte Alice nach Nordosten. Sie spürte, wie leichte, feine Regentropfen auf ihrer Haut perlten.
Mit einem Ruck stoppte der Atabeg von Mossul, der große, unbesiegbare Kerbogha und mit ihm sein Heer, sodass Pferde zusammenstießen, fielen und sich den Hals brachen.
Denn was er sah, zeigte ihm, dass er durch sein Zögern einen nie wiedergutzumachenden Fehler begangen hatte: Die Truppen seiner kämpfenden Verbündeten waren in Auflösung, in wilder Flucht jagten sie am Fluss entlang Richtung Osten, nur entschlossen, ihr Leben zu retten.
Gleichzeitig aber, mit kaum fassbarer Schnelligkeit, nahte sich das Heer des Legaten des Papstes, schritt in geschlossenen Schlachtreihen durch die Ebene auf das Heer Kerboghas zu und schnitt dem Feldherrn den Weg zu seinen flüchtenden Verbündeten ab.
»Die Lanze!«, triumphierte die Gattin des Heerführers Raimond. »Die Heilige Lanze hat Kerbogha gebannt und ihm seine Kraft genommen.«
Es war nicht zu fassen und dennoch wahr, der mächtige Kerbogha, der meist gefürchtete feindliche Heerführer, wendete sein Pferd, kehrte mit seiner Streitmacht um und verschwand in einer gewaltigen Staubwolke aus Alice’ Blickfeld.
Tödlicher Stillstand, Juli 1098
Ein ungeahnter Tod breitete sich über Antiochia aus. Ein Tod, der nicht mit dem Schwert zu beherrschen war. Schwer lastete die Seuche über der Stadt, täglich wurden Arme wie Adelige zum Friedhof gekarrt und dabei waren diejenigen, die auf dem Schlachtfeld lagen, noch nicht einmal alle begraben.
Es begann mit einem leichten Fieber, Übelkeit, Erbrechen und Durchfall, und ängstlich horchten die Sieger in sich hinein, beobachteten ihr Wohlgefühl, ob sich dergleichen Anzeichen ankündigten. Über all dem Elend wehte die blutrote Fahne Bohemunds vom höchsten Turm der Zitadelle.
In seinem Palast lag Bernhard auf dem Bauch auf seinem mit seidenen Kissen übersäten breiten Bett. Alice kniete neben ihm, sie rieb ihm den Rücken mit duftendem Balsamöl ein und massierte ihn mit leichter Hand.
»Ich habe beschlossen, mir sind nicht die Rippen gebrochen, der Schmerz lässt irgendwann nach und es ist vorüber.«
Alice fragte sich, ob so etwas zu beschließen wäre, ließ jedoch Bernhards Worte ohne Bemerkung stehen.
»Ganz am Ende der Schlacht«, erzählte er, »flüchteten die Türken über einen Gebirgsbach und machten vollkommen ermattet auf dem Gipfel eines Hügels Halt. Auch wir verlangsamten unseren Lauf, waren sowieso außer Atem, blieben also unten stehen und wollten sie nicht weiter verfolgen. Da, völlig unerwartet, schossen sie ihre todbringenden Pfeile auf uns. Herzog Gottfried rief mit lauter Stimme die Barmherzigkeit Gottes an und wir stürmten den Hügel hinauf mit vorgehaltenem Schild, ihnen entgegen. Bohemund preschte mit seinen Reitern und großem Geschrei uns zur Hilfe, die Türken flüchteten weiter, wir setzten ihnen nach, zwangen sie zum Nahkampf. Ein sinnloses Morden nach der gewonnenen Schlacht. Die verwundeten und toten Leiber lagen übereinander, so dicht, als habe der Hagel gewütet. Mich traf von hinten ein Schlag mit dem Schwert. Gleichzeitig wurde ich von mehreren feindlichen Kriegern umzingelt und angegriffen. Ich war dem Tode noch nie so nahe. Da
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