Die Pilgerin von Passau: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition)
preschte eine weiße Lichtgestalt auf einem weißen Pferd zwischen mich und die Feinde. Die Türken müssen den Reiter auch wahrgenommen haben, denn sie waren wie gelähmt, sodass ich sie überwältigen konnte. Der Reiter war Walo, der tote Konstabler des Königs von Frankreich.«
»Mit oder ohne Kopf?«
»Mit Kopf.« Alice nickte. »Das werde ich seiner Frau erzählen. Es wird sie beruhigen in ihrer Trauer.«
»Jedenfalls, während wir auf’s Äußerste kämpften, haben die Nord- und die Südfranzosen in ungewohnter Eintracht das Lager Kerboghas geplündert.«
»Die Mägde erzählen sich am Brunnen beim Wasserschöpfen, Kerbogha habe ein Zelt gehabt so groß wie eine Stadt, mit Türmen und Gängen. 2.000 Menschen sollen darin bequem Platz gehabt haben.«
»Hab ich nicht mehr gesehen. Als wir endlich in Kerboghas Lager ankamen, da war schon ziemlich alles abgeräumt. Gold und Silber und die Lebensmittelvorräte, wobei die auch nur kurze Zeit halten werden.«
Er seufzte.
»Hunger?«, fragte Alice.
Bernhard nickte.
»Durch den Sieg über Kerbogha hat sich leider wenig an unserer Hungersnot geändert.
So erschöpft wir nach der Schlacht auch sind, wir hätten gleich nach Jerusalem weiterziehen müssen, damit die Armen jedenfalls in den blühenden Gegenden weiter südlich plündern können. Der Krieg ernährt den Krieg. Das ist halt so.«
»Es wird erzählt«, Alice stockte und schluckte, »dass den Frauen in Kerboghas Lager Lanzen in den Bauch gestoßen wurden.«
Bernhard lachte verächtlich.
»Kerbogha, diese feige Memme. Er hat genau gewusst, als er an seinem Lager vorbei in die Berge flüchtete, dass er die Frauen und Kinder im Stich lässt. «
»Und Ihr?«
»Was meinst du mit der Frage? Ob ich beim Morden dabei war oder ob ich dich gerettet hätte? Zu deiner Beruhigung, als wir endlich das Lager erreichten, waren die Frauen und Kinder schon alle tot. Und was dich angeht«, Bernhard setzte sich auf und sah Alice an, »ich habe dir ein Versprechen gegeben, fast ein Gelübde getan, ich bin Ritter und würde es niemals zulassen, dass dich die Feinde umbringen.«
Alice schwieg, spielte verlegen mit den Fransen der bunten Seidendecke, beugte sich dann zu Bernhard nieder und umfasste seinen Rücken.
»Au!«, rief er. »Denk an meine Rippen!«
Alice lachte: »Ihr fühlt wohl nur im Kampf keinen Schmerz, im Frieden aber schreit Ihr auf.«
Bernhard schüttelte den Kopf und wurde sehr ernst.
»Ich sehe keinen Frieden. Ich halte es für durchaus denkbar, dass es zwischen Bohemund und dem Grafen Raimond von Toulouse zu einer bewaffneten Auseinandersetzung, zum Kampf, kommt. Bohemund betrachtet Antiochia als sein Eigentum, weil es nur durch ihn erobert werden konnte. Selbstherrlich wie er ist, hat er sogar schon, ohne zumindest auf den Legaten des Papstes Rücksicht zu nehmen, Verträge mit Kaufleuten aus Genua getroffen und ihnen 30 Häuser geschenkt.
Graf Raimond von Toulouse und Bischof Adhémar aber vertreten die Auffassung, die Fürsten hätten Kaiser Alexios den Treueid geschworen und versprochen, die eroberten Gebiete an Byzanz zurückzugeben. Ohne eine starke byzantinische Garnison sei Antiochia auf Dauer nicht gegen die türkische Übermacht zu halten. Deswegen hat Bischof Adhémar Hugo Vermandois und leider auch Balduin von Hennegau zu Kaiser Alexios nach Konstantinopel geschickt. Ich warte auf Nachricht, ob sie da heil angekommen sind«, fügte Bernhard bekümmert hinzu. Alice, der das Wohl Bernhards weit mehr am Herzen lag als das seines Freundes, fragte in seine Gedankenverlorenheit hinein:
»Wenn es zum Kampf zwischen Bohemund und Graf Raimond käme, auf welcher Seite stündet Ihr dann?«
»Wo denkst du hin? Ich werde meinen Kopf nicht zwischen die Fronten stecken und in einen Bruderkrieg verwickelt werden. Unser Herr Jesus Christus lehrt uns, dass wir nicht gegeneinander Krieg führen, vielmehr dass Christen an der Liebe zueinander erkannt werden sollen.«
Alice lachte laut auf und Bernhard sah sie verwundert an.
»Ich lache, weil Ihr immer dann besonders fromm werdet, wenn es zu Eurem Vorteil ist.«
Bernhard schwieg betreten.
»Ich entdecke immer neue Seiten an Dir. Ich wusste gar nicht, dass du so bösartig sein kannst.
Wie auch immer, wir beide müssen mit unserem Sohn aus Antiochia fort. Am besten nach Edessa zu Balduin, der ist reich und kann für seine Scharmützel mit den Türken ganz gut noch Ritter gebrauchen. Die Fürsten haben beschlossen, dass wir unsere Pilgerfahrt nach
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