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Die Pilgerin von Passau: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition)

Die Pilgerin von Passau: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition)

Titel: Die Pilgerin von Passau: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maren Bohm
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Verfügung stellen möchte. Die Frauen werden niemals nach Einzelheiten gefragt, zum Beispiel, wer der Vater ist. Für das Stillen des Säuglings erhalten sie Geld. Natürlich kann es auch einmal sein, dass einer der Mönche durchaus nicht unschuldig ist. Selbstverständlich habe ich meine Vermutungen, wenn zum Beispiel ein Mönch sich lange und scheinbar harmlos in der Nähe des Säuglings aufhält oder wenn das Kind eindeutig zu seiner Persönlichkeit passt. Aber sofern er nicht beichtet, bleibt es im Verborgenen. Wenn ihn jedoch seine Sünde drückt und er bereut und beichtet, mache ich daraus kein Aufhebens. Es wird ihm eine Buße auferlegt, zum Beispiel stundenlanges Beten im Stehen, vermehrte Nachtwachen, Fasten oder einfach schwere körperliche Arbeit. Auf den zeitweiligen Ausschluss aus der Gemeinschaft verzichte ich und mache auch von meinem Recht auf körperliche Züchtigungen keinen Gebrauch, weil selbst Jesus nicht einmal Judas vom Abendmahl ausgeschlossen hat, obwohl er wusste, dass Judas der Verräter ist, und weil Jesus niemals einem anderen körperlich Schaden zugefügt hat.«
    »Du hältst dich wohl für einen Heiligen, was?«
    Als der Abt darauf nicht antwortete, hakte sein Bruder Karl nach.
    »Du selbst hältst dich aber an den Zölibat, keine Frau, die ganzen Jahre, auch kein Knabe?«, fragte Alice’ Vater lauernd. Bei so viel Duldung wäre es durchaus möglich, dass sich ein heimlicher Bastard im Kloster befand.
    »Selbstverständlich lebe ich asketisch«, entgegnete der Abt.
    »Als hättest du noch nie Lust gehabt?« Das war doch ein Thema, um dem Bruder, diesem Scheinheiligen, die Unschuld zu nehmen.
    Der Abt sah seinen Bruder kalt an.
    »Ich muss deine aufkommende Häme leider enttäuschen. Du wirst weder einen illegitimen Sohn im Kloster finden noch eine solche Tochter bei den Nonnen. Wahrscheinlich kommt daher der Ruf der Strenge, weil ich mich ganz und gar den Regeln des Ordens unterwerfe.«
    Karl wirkte verlegen. Um vom Thema, das ihn irgendwie beschämte, abzulenken, fragte er, wie es denn diesen ausgesetzten Kindern im Kloster ergehe.
    »Wenn es ein Mädchen ist, wird es nach Passau zu den Benediktinerinnen ins Kloster Niedernburg gebracht. Die Jungen bleiben selbstverständlich und bekommen Unterricht in Latein, Griechisch, Philosophie, Mathematik und Theologie, sodass sie, wenn sie begabt sind, studieren können. Zwei unserer als uneheliche Kinder ins Kloster gebrachten Jungen studieren jetzt in Bologna.«
    Alice’ Vater Karl sah seinen Bruder verdutzt an. »Und das bist wirklich du, der sich so um Bildung kümmert? Ich kann mich nicht erinnern, dass du jemals gern gelernt hättest.«
    »Du lenkst ab.«
    »Ja«, antwortete der Vater mit resignierter Stimme. »Wenn ich das könnte.« Beide schwiegen.
    »Du willst also, dass ich auf diesen Kreuzzug gehe. Ich habe aber nicht das Geld, um meine Pilgerfahrt zu finanzieren«, versuchte der Vater noch einmal auszuweichen.
    »Du bist reich.«
    »Nicht mehr. Es waren schlechte Jahre. Das Hochwasser hat viel vernichtet. Auch die gute Lage unseres Handelshauses zwischen Donau und Inn hat das nicht verhindern können.«
    Der Vater sah sehr bekümmert aus. Offenbar dachte er an den Sturm, das rasend schnelle Ansteigen der Flüsse und den verzweifelten Versuch, das Salz und das Getreide vor den Fluten ins Trockne zu bringen.
    »Überleg einmal«, sagte er nach einer Weile, »wie lange es gebraucht hat, um dir dein Erbteil auszuzahlen. Das war eine ganz schöne Masse Geld, ich erinnere mich noch an die Truhe voller Silbermünzen, die dir geliefert wurde. Die hast du dann vermutlich ganz dem Kloster vermacht. Das war ein harter Schlag für das Geschäft.«
    »Der mit dem Erbteil deiner toten Frau vollends ausgeglichen war. Nun spiel nicht den Wehleidigen.«
    »Trotzdem habe ich nicht das Geld. Ich werde mein Haus und meine Ware an dein Kloster verpfänden müssen.«
    »Wir können morgen früh über den geschäftlichen Teil sprechen«, unterbrach ihn der Abt. »Es ist Zeit für mich zum Gebet.« Er schickte sich an zu gehen, wobei Alice jetzt erst auffiel, dass er die ganze Zeit gestanden hatte. Sie erschrak, als er sich in der Nähe ihrer Säule umdrehte. Ausweichen war nicht möglich, jede Bewegung musste sie verraten. Und so presste sie sich starr an den kalten Stein. Der Abt aber wandte sich noch einmal zu seinem Bruder und sagte:
    »Wenn ich allerdings um etwas bitten darf. Ich brauche für die Zeit meines Aufenthaltes hier einen Bediensteten.

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