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Die Pilgerin

Titel: Die Pilgerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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brauchen, denn die Männer scharten sich um die Dame und verschlangen sie mit ihren Augen. Tilla hätte nackt neben ihnen stehen oder gar Kopfstände machen können, und dennoch hätte keiner sie bemerkt.
    Kurze Zeit später hatte sie sich mit Hedwigs Hilfe umgekleidet und stopfte das viel zu weite Dekolleté mit einem Tuch aus. Nun trug sie zum ersten Mal seit Wochen wieder Frauenkleidung, doch das Gewand der Dame löste einen so starken Widerwillen in ihr aus, dass sie die teuren Stoffe am liebsten in kleine Fetzen gerissen hätte.
    Hedwig reichte Felicia de Lacaune Tillas Pilgertracht und sorgte dafür, dass diese nicht mehr wie eine Fleisch gewordene Versuchung vor den glotzenden Männern stand.
    Die Edeldame wollte Tillas Bündel an sich nehmen, ließ es aber mit einem keuchenden Ausruf wieder sinken. »Das ist zu schwer für mich.«
    Einer ihrer Begleiter griff danach, doch Tilla schritt ein. »Halt! Meine Sachen gebe ich nicht her!«
    »Du kannst das Bündel nicht mit auf das Pferd nehmen, denn du wirst genug zu tun haben, dich im Sattel zu halten«, fuhr Starrheim sie an.
    Tillas Blick blieb auf Ambros haften. »Nimmst du dich meiner Besitztümer an? Wie du weißt, ist das Herz meines Vaters darin. Das muss auf jeden Fall nach Santiago gelangen.« Einen Augenblick lang dachte sie daran, dass sich ihr Geld ebenfalls in dem Bündel befand, doch auch das schien ihr in dieser Situation bei Ambros besser aufgehoben, dem Goldschmied hätte sie auch ihr Leben anvertraut.
    »Das tue ich doch gerne«, sagte Ambros und warf sich das Bündel über die Schulter.
    »Wo treffen wir uns?«, wollte Tilla wissen.
    Vater Thomas wechselte ein paar Worte mit Starrheim und sie einigten sich auf einen Ort, während die Dame schon zum Aufbruch drängte.
    »Reitet voraus und verlasst bei der ersten Wegkreuzung, an der Leute euch beobachten können, diese Straße. Mein Feind wird die Spur gewiss finden und von mir ablassen.«
    Dafür haben wir ihn am Hals, fuhr es Tilla durch den Kopf. Bevor sie jedoch eine bissige Bemerkung machen konnte, packte Starrheim sie unter den Schultern und hob sie auf die nervös tänzelnde Stute. Von da an hatte Tilla anderes zu tun, als sich um irgendwelche Verfolger zu sorgen, denn sie hatte alle Mühe, auf dem Rücken des Pferdes sitzen zu bleiben. Da sie sich mit beiden Händen am Sattelbogen festklammerte, übernahm Starrheim die Zügel und führte das Tier. Tilla wagte es, sich ganz kurz umzuschauen, und sah, dass sich auch ihre Gruppe wieder auf den Weg machte. Die Zahl der Pilger war gleich geblieben, doch niemand, der Felicia de Lacaune von nahem sah, würde sie für einen Mann halten. Dafür war ihr Gesicht einfach zu lieblich und die Pilgertracht konnte ihre Formen nicht verdecken.
    Rudolf von Starrheim legte ein so schnelles Tempo vor, dass Tilla wie ein Sack auf dem Pferderücken auf und nieder hüpfte. Dazu kam, dass der Damensattel höllisch unbequem war. Auf halber Höhe gab es einen Haken, in den sie ihren rechten Schenkel hätte legen sollen, doch sie rutschte immer wieder heraus und stieß sich an dem Ding. Ein Steigbügel für den linken Fuß hätte ihr helfen können, stattdessen aber gab es nur ein schmales Brett, auf das sie den Fuß stellen sollte. Sie verlor jedoch auch diesen Halt bei fast jedem Schritt der Stute, und so hing sie mehr auf dem Pferd als so darauf zu sitzen, wie es einer Edeldame anstand, und klammerte sich an seiner Mähne fest.
    Sebastian hatte ebenfalls nur selten auf einem Pferd gesessenund fühlte sich ähnlich unsicher. Dennoch lachte er über Tilla und verspottete sie gnadenlos. Er hatte Glück, dass sie zu beschäftigt war, um mit mehr als ein paar wütenden Bemerkungen zu antworten. Aber sie nahm sich vor, ihm am Abend den nächstbesten Gegenstand an den Kopf zu werfen.
    Nach weniger als einer Meile erreichten sie eine weitere Wegkreuzung. Nicht weit davon entfernt lag ein großer Hof, auf dem mehrere Dutzend Leute arbeiteten. Starrheim hieß Sebastian und Tilla zurückzubleiben und ritt auf die Knechte zu, die eben mit einem Ochsenfuhrwerk Mist ausbrachten. Obwohl ihm der Gestank nach Dung beinahe den Atem verschlug, brachte er es fertig, sie nach dem Weg zu fragen. Nachdem er die entsprechende Auskunft erhalten hatte, bedankte er sich höflich und winkte seinen Begleitern zu.
    »Wir müssen diese Straße dort nehmen!« Während er sein Pferd in die angedeutete Richtung lenkte, dachte er zufrieden, dass diese Begegnung wohl reichen würde, um Felicia de

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