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Die Pilgerin

Titel: Die Pilgerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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Lacaunes Feinde in die Irre zu führen. An die Konsequenzen, die seine Tat für ihn und seine beiden Begleiter haben mochte, verschwendete er keinen Gedanken, und Sebastian schwelgte noch sichtlich in dem Anblick, den Felicia de Lacaune geboten hatte. Nur Tilla blickte sich immer wieder ängstlich um und glaubte, den Atem der Verfolger bereits im Nacken zu spüren.

III.
    Entweder hatte Rudolf von Starrheim die Auskunft der Knechte nicht richtig verstanden oder diese hatten ihn bewusst falsch informiert. Auf jeden Fall entdeckten sie nicht die geringste Spur von der großen Herberge, auf die sie hätten stoßen sollen. Dahermussten sie mit dem Wasser aus einem Gebirgsbach als Nachtmahl vorliebnehmen und in einer Felshöhle übernachten.
    Tilla wankte mit wund geschlagenen Schenkeln in den hinteren Teil der Grotte und ließ sich auf der Satteldecke nieder, die Starrheim ihr reichte.
    »Dir brennt wohl der Hintern?«, fragte er grinsend. »Mach dir nichts daraus! Das müssen alle ertragen, die hoch zu Ross reisen wollen.«
    »Von wollen war keine Rede!«, gab Tilla stöhnend zurück.
    Mehr denn je bedauerte sie ihren Entschluss, Tremmlingen verlassen zu haben, und verfluchte im Stillen Sebastian, Starrheim und die anderen Männer der Gruppe, die wohl noch ihr Herzblut geopfert hätten, um Felicia de Lacaune behilflich zu sein. Jeder von ihnen, Vater Thomas eingeschlossen, wäre auf ein Pferd geklettert, um ihre Verfolger und wohl auch deren Zorn auf sich zu lenken. Tilla wünschte sich in dem Augenblick nichts sehnlicher als die Kleidung der Edeldame abstreifen und in ihrer gewohnten Pilgertracht weiterziehen zu können. Doch in der steckte jetzt Felicia de Lacaune und sie würde ihre Sachen erst wiederbekommen, wenn sie am vereinbarten Ort auf ihre Gruppe traf. Bis dorthin aber musste jeder sie und ihre beiden Begleiter für die Dame und ihr Gefolge halten.
    Der Gedanke ließ sie aufsehen. Durch die Öffnung der Höhle konnte sie einen Teil des Himmels erkennen, der sich wie schwarzer Samt über das Firmament spannte und auf dem nun nach und nach die Sterne aufglühten. Sternenfeld, so hatte Vater Thomas die Landschaft genannt, in der Santiago liegen sollte. Doch bis dorthin war es noch ein weiter und derzeit sehr gefährlicher Weg.
    Tilla erhob sich und suchte in der Dunkelheit ihre beiden Gefährten. »Sollten wir nicht besser abwechselnd Wache halten?«
    »Das hier ist keine Bärenhöhle, wenn du das befürchtest. Außerdem würde mein Pferd mich vor Bären und Wölfen warnen und auch vor anderem Raubgesindel, das in unsere Richtung will.« Rudolf von Starrheim schien ganz vergessen zu haben, dass er nicht seinen eigenen Hengst, sondern ein fremdes Tier ritt, denn er lehnte sich zufrieden brummend zurück und wünschte den beiden anderen eine gute Nacht.
    Tilla rollte sich nun zusammen und bettete ihren Kopf auf den Teil der Satteldecke, den sie zu einem Kopfkissen zusammengeknüllt hatte. Im Gegensatz zu ihren beiden Begleitern fand sie lange keinen Schlaf. Als sie dann doch einnickte, schreckte sie bei jedem Laut wieder hoch, mochte es das Rauschen des Windes in den Felsen sein, der Schrei eines Kauzes oder auch nur das leise Schnarchen der beiden Männer. Ihre Begleiter schienen dieses Abenteuer nur als einen grandiosen Spaß anzusehen, aber sie begriff, welche Gefahr am Horizont aufzog. In den kurzen Phasen ihres Schlafes wurde sie von Albträumen geplagt, in denen ihr toter Mann sie mit einem Stock schlug, bis sie als blutiges Bündel zu seinen Füßen lag, während ihr Bruder daneben stand und höhnisch applaudierte.
    Am Morgen fühlte sie sich elend und unausgeschlafen, und die Tatsache, dass es auch zum Frühstück nur Wasser aus dem Bach gab, hob ihre Laune nicht gerade. Mürrisch sah sie zu, wie Starrheim und Sebastian die Pferde sattelten, und ließ sich auf die Stute heben, ohne auch nur Guten Morgen gesagt zu haben.
    »Bestimmt werden wir unterwegs auf eine Herberge treffen, und wenn nicht, kaufen wir uns bei einem Bauern etwas zu essen!« Starrheim machte den Hunger für Tillas Missmut verantwortlich und zwinkerte Sebastian grinsend zu.
    »Unser Otto ist noch recht grün hinter den Ohren. Der muss viel härter werden, wenn er einmal ein richtiger Kerl sein will!«Sebastian stimmte zunächst in das Lachen des Grafen ein, dann aber erinnerte er sich daran, wer Tilla wirklich war, und senkte den Kopf. Nun fragte er sich, wo der Edelmann seine Augen hatte. Tilla benahm sich doch viel zu auffällig für

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