Die Pilgerin
blutete sie. Zu ihrer Erleichterung wandte der Mann sich jetzt Sebastian und Starrheim zu, überschüttete sie mit einem Schwall französischer Flüche, auf deren Übersetzung sie auch gar keinen Wert legte, und schlug mit der geballten Faust auf die beiden ein.
Angesichts der gezogenen Schwerter der Reisigen wagte auchder Graf nicht, sich zur Wehr zu setzen. Tilla sah aber, dass es in dem Habsburger kochte. Mehr als einmal setzte er zum Reden an, doch schon nach ein paar Worten traf ihn wieder die Faust des zornigen Franzosen und brachte ihn zum Schweigen. Starrheim war bald das einzige Opfer, das Hugues de Saltilieu noch erreichen konnte, denn Sebastian nützte einen der Hiebe aus, ließ sich aus dem Sattel fallen und blieb scheinbar betäubt am Boden liegen. Doch Tilla sah, dass er zwischen zusammengekniffenen Lidern zu ihr hinsah und sich offensichtlich verfluchte, weil er mit dazu beigetragen hatte, sie in diese Lage zu bringen. Was dieser wütende Franzose und seine Leute mit ihr anfangen würden, konnte er sich lebhaft vorstellen.
»Wer ist das? Eine Magd, die sich für ein paar Denier für dieses Täuschungsspiel hergegeben hat? Sie wird dafür bezahlen!«
»Es ist kein Weib, sondern ein junger Pilger aus Schwaben, der in die Kleider der Dame geschlüpft ist, um ihr zu helfen. Wir sind alle Pilger aus dem Römischen Reich. Mein Name ist Rudolf von Starrheim aus der Sippe der Habsburger.«
Hugues de Saltilieu hatte sich inzwischen so weit beruhigt, dass Starrheim mehr als ein paar gestammelte Worte herausbringen konnte. Er erntete jedoch nur ein Lachen und einen weiteren, gemeinen Hieb.
»Ein Edelmann will der Bursche sein! Wahrscheinlich ist er ein leibeigener Waffenknecht, der seinem Herrn davongelaufen ist. Nun, er wird sich bald wünschen, daheim geblieben zu sein. Rede, du Hund, wo ist Felicia de Lacaune?« De Saltilieu hob die Faust, um seine Frage handgreiflich zu untermauern.
Jetzt gab auch Starrheim auf und rutschte aus dem Sattel. Er befand sich in einem Dilemma, dem er nicht entrinnen konnte. Wenn er bekannte, zu einer größeren Pilgerschar zu gehören, würden die Franzosen Vater Thomas und seiner Gruppe folgenund die anderen Pilger ebenso behandeln wie sie. Er wischte sich mit der rechten Hand über die blutenden Lippen und blickte schmerzverkrümmt zu Hugues de Saltilieu auf.
»Wir sind drei Pilger, die zusammen nach Santiago wallfahren, um dort am Grab des heiligen Apostels zu beten. Als wir gestern auf die Dame und ihre Begleiter trafen, bat sie uns um Hilfe, die wir ihr als Christenmenschen nicht versagen durften!« Starrheim sagte es ziemlich laut und warf Tilla und Sebastian dabei einen verstohlenen Blick zu, in der Hoffnung, die beiden würden seine Aussage bestätigen. Dann aber fiel ihm ein, dass er dem Franzosen in dessen Muttersprache geantwortet hatte, welche seine beiden Begleiter nicht verstanden, und wiederholte seine Worte auf Deutsch.
»Was sagst du, du Hund?« De Saltilieu beugte sich aus dem Sattel und packte ihn am Kragen.
»Dasselbe, das er eben in unserer Sprache gesagt hat. Er wollte wohl seine Begleiter beruhigen«, wandte der jüngere und etwas kleinere Ritter ein.
»Ihr versteht Deutsch?« Starrheim war weniger erfreut als erschrocken. Wenn der andere ihre Sprache kannte, würden er, Otto und Sebastian immer auf der Hut sein müssen, belauscht zu werden.
Der jüngere Franzose sah ihn freundlich lächelnd an. »Ein wenig. Erlaubt, dass ich mich und meinen Vetter vorstelle. Dies ist …«, seine Rechte zeigte auf seinen Begleiter, »Hugues de Saltilieu, Vasall seiner Majestät, Charles V., und ich selbst nenne mich Aymer de Saltilieu und verwalte eine der Burgen meines Verwandten.«
Seinem Vetter gefiel es nicht, so plötzlich von dem Gespräch ausgeschlossen zu sein, und er funkelte Aymer zornig an. »Was redest du mit den Kerlen? Ich will wissen, wo Felicia de Lacauneist. Wenn sie es nicht freiwillig sagen, werden Peitsche und Folter sie dazu bringen!«
Aymer de Saltilieu wiederholte die Worte seines Verwandten und machte eine auffordernde Geste. »Ihr solltet die Neugier meines Vetters befriedigen. Sein Foltermeister ist ein Genius seiner Kunst!«
»Aber wir wissen es nicht! Wir haben die Kleidung getauscht und uns dann getrennt.« Tillas Stimme klang verzweifelt.
Ritter Aymers Kopf ruckte hoch und er sah sie durchdringend an. Ihr Gesicht war durch den Schlag seines Verwandten zerschunden und in ihren blaugrau gesprenkelten Augen schimmerten Tränen. Es
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