Die Pilgerin
Ambros mehr als einmal zugreifen musste, um ihn vor einem Sturz zu bewahren.
»Wir hätten doch zur Großen Kartause gehen sollen«, murmelte Sepp vor sich hin. Niemand antwortete ihm, denn keiner wollte den leicht aufbrausenden Mann reizen. Tilla und einige andere waren sich jedoch sicher, dass der Weg zur Grande Chartreuse kaum besser sein konnte als der, den sie gerade benutzten.
Nach einer Weile kamen ihnen drei Wanderer entgegen. An der Spitze ging ein junger Mann, der vom Gesichtsschnitt und seiner Kleidung her ihrem letzten Gastgeber glich, und ihm folgten eine ältere Frau und ein junges Mädchen. Deswegen nahmen sie an, dass es sich um die vermissten Wallfahrer handelte, und grüßten sie freundlich.
Die drei Einheimischen beantworteten den Gruß scheu und drückten sich rasch an ihnen vorbei. Sepp sah dem Mädchen, das etwa fünfzehn Jahre zählen mochte, eine Weile nach und zwinkerte dann Sebastian grinsend zu.
»Einem so hübschen Ding möchte man gerne seinen Pflock zwischen ihre Beine schlagen, nicht war?«
Sebastian zögerte einen Augenblick mit seiner Antwort. Seitseinem Abenteuer mit der diebischen Magd kurz nach seinem Aufbruch hatte er sich nicht mehr mit Frauen abgegeben. Der Drang allerdings, sich als Mann zu beweisen, war trotz des harten Weges eher stärker als geringer geworden. Nun schoss ihm beim Anblick jedes halbwegs hübschen Frauenzimmers das Blut in die Lenden. Zu seiner Verwunderung war es ihm sogar schon passiert, wenn er Tilla vor sich sah. Dabei wurde ihre Gestalt völlig von ihrer Pilgerkleidung verdeckt und er wusste genau, wie mager sie darunter war.
Aber der Sinn der Pilgerschaft beinhaltete auch, Enthaltsamkeit zu üben, und daher wagte er, seine Meinung auch Sepp gegenüber offen zu äußern. »Du solltest weniger nach Mädchen Ausschau halten, als vielmehr für dein Seelenheil beten! Gerade du hast es nötig.«
Sepp winkte mit einem hässlichen Lachen ab. »Du meinst wegen meiner Alten? Was hat die mich auch reizen müssen! Das ist eine Hexe, sage ich dir. Am liebsten würde ich gar nicht mehr zu ihr zurückkehren, und wenn ich es dennoch tue, werde ich mir eine junge Magd einstellen, die gerne für mich die Röcke hebt.«
Er gab Sebastian einen Knuff. »Gib doch zu, dass es auch dich zwischen den Beinen juckt. Ich würde sogar auf Hedwig oder die beiden Schwestern steigen, wenn es sich machen ließe. Doch da ist unser frommer Führer davor. Aber weißt du was? Wenn wir erst einmal aus diesem elenden Gebirge heraus sind, kommen wir sicher durch große Städte, in denen es alles gibt, was ein Männerherz begehrt. Du hast doch noch ein bisschen Geld. Was spricht also dagegen, wenn wir zwei für eine Weile verschwinden und auf eine hübsche Hure stoßen? Verdammt, ich darf gar nicht erst daran denken, dann wird es mir in den Hosen zu eng.« Dabei stöhnte er und zupfte an der besagten Stelle herum,um seine Kleidung so zu ordnen, dass sie seine edleren Teile nicht einzwängte.
Sebastian sagte sich, dass sein Begleiter gar nicht so Unrecht hatte. Eine Wallfahrt war natürlich eine ernste Sache und ihr Führer warnte sie immer wieder vor Unmoral und schlechten Gedanken, doch im Grunde war er ja kein richtiger Pilger, sondern folgte nur dem Befehl seines Vaters, sich um Tilla zu kümmern. Da war es gewiss kein schweres Vergehen, wenn er sich unterwegs ein wenig Freude gönnte.
Während Sebastian seinen alles andere als frommen Gedanken nachhing, erreichte die Gruppe eine Wegkreuzung. Noch während Vater Thomas überlegte, welche Richtung sie einschlagen sollten, hörte er Hufschläge näher kommen. Die Gruppe scharte sich sofort eng um ihn und die Männer hoben ihre Stäbe, um sich verteidigen zu können.
Sie entspannten sich jedoch sofort wieder, denn es handelte sich nur um drei Reiter, eine junge Dame in einem weiten, strahlend blauen Kleid und zwei Bewaffnete, die wie Dienstleute eines Edelmanns aussahen, denn sie trugen die gleichen grünen Tuniken mit einem blühenden Zweig als Wappen.
Beim Anblick der Pilger schlossen sie zu ihrer Herrin auf und legten die Hand an die Schwerter, und soweit man ihre Gesichter unter den Helmen erkennen konnte, wirkten sie viel zu besorgt für die Begegnung mit einer einfachen Pilgergruppe. Erst als Vater Thomas seine Schäfchen anwies, Platz für die Reiter zu machen, verloren die Krieger ihren entschlossenen Ausdruck, nahmen aber die Hände nicht von den Waffen. Ganz langsam, so als trauten sie den Absichten der Fremden nicht,
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