Die Pilgerin
zog, erwies sich das Tier als äußerst zäh.
»Aua, du tust mir weh!« Sebastian stieß Starrheim zurück und starrte unglücklich auf seine edelsten Teile.
»So wird das nichts!« Tilla war neugierig herabgekommen und erkannte nun selbst, was ihren Jugendfreund quälte. Ehe er etwas sagen konnte, packte sie seinen Hodensack mit der einen, die Zecke mit der anderen Hand und machte eine kurze, drehende Bewegung.
Sebastian heulte auf und starrte dann verdattert auf den fast fingernagelgroßen Blutsauger, den Tilla ihm unter die Nase hielt.
»Männer!«, sagte sie nur. Sie selbst hatte daheim in Tremmlingen schon öfter Zecken von Haustieren, ihrem Bruder oder Bediensteten entfernen müssen und wusste, was sie zu tun hatte, damit keine kleine, aber schwärende Wunde zurückblieb.
Sebastian ärgerte sich, weil er sich vor Tilla als Weichling gezeigt hatte, und wollte sie provozieren. »Nachdem du bereits meinen Beutel gehalten hast, kannst du auch meinen Stock in die Hand nehmen.«
Tilla betrachtete das besagte Ding und verzog die Lippen. »Stock nennst du so etwas? Ich halte es eher für ein Stöckchen.« Damit drehte sie sich um und ging zum Bach, um sich die Hände zu waschen.
Sebastian fluchte hinter ihr her und wurde überdies noch von Starrheim ausgelacht. »Auf diese Weise bekommst du Tilla nicht dazu, sich unter dich zu legen!«
»Pah, was soll ich mit dem dürren Ding!«, gab Sebastian zurück.
Er zog aber rasch die Bruche hoch und drehte sich so, dass er Starrheim den Rücken zeigte. Sein Stöckchen, wie Tilla es genannt hatte, verwandelte sich bereits bei dem Gedanken daran, wie sie unter dem Kleid aussehen mochte, in einen veritablen Stock.
Von diesem Tag an betrachtete Sebastian Tilla mit anderen Augen. In den Nächten träumte er davon, jene Dinge mit ihr zu treiben, die er mit der hübschen Magd aus der Herberge gemacht hatte. Plötzlich ärgerte ihn Starrheims Anwesenheit, denn ohne ihn hätte er Tilla schon so weit gebracht, dass sie sich mit ihm einließ. Eine Jungfrau war sie ja nicht mehr, denn immerhin sollte ein recht ansehnlicher Blutfleck auf dem Laken den Vollzug ihrer Ehe mit Gürtler bewiesen haben. Anscheinend hatte ihr Mann sich beim Ehewerk etwas zu viel zugemutet,dachte Sebastian spöttisch, und es mit dem Leben bezahlt. Ihm würde das nicht passieren.
An dem Tag, an dem sie glaubten, ewig durch Frankreichs Wälder und Felder irren zu müssen, trafen sie unerwartet auf ihre Gruppe. Während Tilla mehr als erleichtert auf die anderen zulief und sowohl Hedwig wie auch Ambros umarmte, blieb Sebastian stocksteif stehen. Ihm passte die Vertrautheit nicht, die Tilla im Umgang mit dem hochgewachsenen Goldschmied zeigte. Dann lenkte eine andere Person, die sich der Gruppe angeschlossen zu haben schien, seine Aufmerksamkeit auf sich.
Es war Bruder Carolus, der Karmeliter. Seine Tonsur war frisch, er wirkte sauberer als früher und seiner Kutte entströmte der strenge Geruch etlicher Kräuter, die gegen Ungeziefer halfen. Er kam mit einem halb freudigen, halb entsagungsvollen Ausdruck auf Sebastian zu, ergriff ihn bei den Schultern und kämpfte sichtlich mit Tränen. »Ich bin glücklich, dich gesund und munter wiederzusehen.«
Sebastian war alles andere als glücklich und warf Vater Thomas einen fragenden Blick zu. Dieser trat neben ihn und legte ihm die Hand auf die Schulter.
»Bruder Carolus zählt von nun an zu unserer Gruppe. Er hat geschworen, niemand zu belästigen.« Die Warnung war deutlich und brachte den Karmeliter dazu, Sebastian wieder freizugeben.
»Wir fanden ihn halb verhungert am Wegrand und konnten uns unserer Pflicht als Christenmenschen nicht entziehen. Außerdem war es ein Zeichen des Herrn und des heiligen Jakobus, denn mit Bruder Carolus ist die Zwölferzahl unserer Gruppe wieder gegeben.«
Sebastian sah dem Pilgerführer an, wie wenig es ihm gefiel, den Karmeliter mitnehmen zu müssen. Dann begriff er, was VaterThomas gesagt hatte, und er warf einen fragenden Blick über die Gruppe, um zu sehen, wer denn fehlte.
Vater Thomas seufzte. »Sepp ist fort. Er ist mit Felicia de Lacaune gegangen. Einer ihrer Leute konnte ein paar Brocken Deutsch und hat ihn dazu gebracht, sich ihnen als Söldner anzuschließen. Nun hat er sein Seelenheil hingegeben und sein Weib wird vergebens auf ihn warten.«
»Oder froh sein, dass er nicht mehr zurückkommt.« Sebastians hartes Urteil verwunderte die anderen. Er aber musste sich auf die Zunge beißen, um sich nicht noch
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