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Die Pilgerin

Titel: Die Pilgerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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Berührung seiner Hand noch immer Gefühle in ihr auslösten, von denen sie nie geglaubt hatte, sie empfinden zu können, schämte sie sich vor sich selbst.
    Der Ritter schien ihre Gedanken zu lesen, denn er zog sie an sich und rieb seinen Oberschenkel an ihrer Hüfte. »Vielleicht sollte ich den Preis erhöhen. Immerhin willst du für drei Leute die Freiheit, und nicht nur für dich allein.«
    »Nein!« Noch während Tilla es rief, wusste sie, dass sie auch dazu bereit wäre.
    »Aber dann wäre ich in deinen Augen kein Edelmann mehr«, neckte Aymer sie, ohne dabei in seinen Zärtlichkeiten einzuhalten. »Mir bleibt aber auch nicht die Zeit, mich intensiver mit dir zu beschäftigen. Mein Vetter will morgen in aller Frühe aufbrechen, um Felicia de Lacaune zu folgen, und ich muss ihn dabei begleiten. Ich glaube nicht, dass es ihn vorher noch danach verlangt, dich und deine Freunde zu sehen, dennoch dürfen wir kein Risiko eingehen. Auch wenn es dich noch so drängt, dein Gefängnis zu verlassen, so wirst du bis zum Morgen damit warten müssen. Bevor wir losreiten, komme ich noch einmal zu dir und lasse dich frei.«
    »Ich hoffe, Ihr vergesst es nicht!« Tilla fühlte sich mehr denn je wie eine Maus, mit der die Katze spielt, und sie wäre am liebsten in Tränen ausgebrochen. Konnte sie Aymer wirklich vertrauen, fragte sie sich, und gab sich auch gleich selbst die Antwort: Etwas anderes blieb ihr kaum übrig.
    Aymer küsste sie noch einmal auf den Mund, dann stand er auf und schlüpfte in seine Kleidung. »Du könntest mir helfen«, forderte er Tilla auf.
    Diese gehorchte mit bebenden Händen und starrte den Ritter dann zweifelnd an, bis er die Kammer verlassen hatte. Als er die Tür zuzog, schlug sie die Hände vor das Gesicht. Jetzt blieb ihr nichts anderes mehr übrig als zu warten, ob der Ritter sein Versprechen einhielt.
    Nach einer Weile merkte sie, dass sie noch so nackt war, wie Gott sie geschaffen hatte, und jeder Tölpel, der jetzt durch die Tür kam, sie als Frau erkennen konnte. Rasch hob sie ihr Kleid auf und streifte es über, dann setzte sie sich auf das Bett und betete.
    Irgendwann erschien der Wärter und stellte ihr etwas Brot, einen Napf mit Eintopf und einen Becher Wasser hin und verschwand so stumm, wie er gekommen war. Obwohl Tilla seit dem gestrigen Tag gefastet hatte, musste sie sich zum Essen zwingen. Ihre Nerven waren bis aufs Äußerste angespannt und sie sehnte den Morgen herbei, ganz gleich, welche Entscheidung er bringen würde.
    Das Warten erschien ihr schrecklicher als alles zuvor in ihrem Leben. Die Nacht kam heran und sie glaubte nicht, einschlafen zu können. Ihre Erschöpfung forderte jedoch ihren Tribut und sie dämmerte weg, kaum dass sie die Augen geschlossen hatte. Jedoch schreckte sie bei jedem Geräusch hoch und starrte durch das winzige Fenster, ob denn nicht endlich der Morgen käme.
    Irgendwann musste sie dann doch tief eingeschlafen sein, denn sie erwachte durch eine vorwitzige Hand, die sich unter ihr Kleid gestohlen hatte und dort an ihren Brustwarzen zupfte. Als sie die Augen aufschlug, sah sie Aymer über sich gebeugt. Er grinste wie ein Lausbub und küsste sie ungeniert.
    »Schade, dass mein Vetter bereits seine Männer auf die Pferde treibt. Ich hätte sonst länger bleiben und mit dir die süßen Früchte der Liebe kosten können. Dazu bleibt jedoch keine Zeit.« Es klang sehr bedauernd und Tilla spürte, dass er mit sich kämpfte, ob er nicht doch die Gelegenheit nutzen sollte. Bevor sie jedoch etwas sagen konnte, erhob er sich wieder und deutete zur Tür.
    »Wenn ich jetzt gehe, werde ich den Riegel nicht vorschieben. Warte, bis du hörst, dass ich den Wärter mit einem Auftrag fortschicke. Dann kannst du die Kammer verlassen. Zwei Stockwerke tiefer befindet sich die Zelle, in der deine Freunde eingesperrt sind. Die Tür ist ebenfalls nur mit einem Riegel versperrt. Wenn du sie befreit hast, steigt ihr bis zum Fuß der Treppe hinab. Dort findest du eine in den Fels gehauene Pforte. Sie wird für euch offen stehen.«
    Er nickte Tilla noch einmal zu, dann drehte er sich um und ging. Als er die Tür hinter sich schloss, unterblieb das schabende Geräusch des Riegels. Tilla wartete angespannt, bis sie seine Stimme und die Antwort des Wärters hörte, dann zählte sie bis zwanzig und schlüpfte hinaus. Der Treppengang war wie erhofft leer. So rasch sie konnte eilte sie nach unten, fand die Zelle ihrer Mitgefangenen, ohne suchen zu müssen, und schob den Riegel zurück.

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