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Die Pilgerin

Titel: Die Pilgerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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Schurken haben das letzte Korn aus den Scheuern und das letzte Schwein aus den Ställen geholt. Dabeihaben sie gemordet und geschändet, als wären sie im feindlichen Land.«
    »Der König hätte seine Soldaten nicht entlassen dürfen«, rief der Pilgerführer vorwurfsvoll aus.
    Der Mönch hob die Hände zum Himmel, als wolle er um Vergebung für seine nächsten Worte flehen. »Unserem König fehlt das Geld, die Soldknechte weiterhin bezahlen zu können. Auch konnte er gewiss nicht ahnen, dass sie sich zusammenrotten und das Land verheeren würden, anstatt in ihre Heimat zurückzukehren und in ehrlicher Weise ihr Brot zu verdienen.« Dann entschuldigte er sich, da er die Suppe holen wolle, und kehrte kurz darauf mit einem Kessel zurück, in dem man durch die dünne Brühe hindurch den Boden erkennen konnte.
    Sebastian verzog das Gesicht, als ein Klosterknecht seinen Napf mit der Wassersuppe füllte, die kein Stückchen Fleisch enthielt und bei der sogar die Gemüsestücke abgezählt zu sein schienen.
    »Kraft gibt dieses schlaffe Zeug ja wirklich nicht«, sagte er mürrisch.
    »Dafür aber kräftige Winde, die des Nachts abgehen dürften. Ich werde mir ein Plätzchen unter dem Kapellenvordach sichern. Da weht mir frische Luft um die Nase und leiser ist es dort auch.« Ambros lachte kurz und löffelte dann weiter.
    Auch Tilla blickte nun zu der Kapelle hin, deren weit vorspringendes Dach Schutz gegen Regen versprach, und erklärte, dass sie ebenfalls dort schlafen würde.
    Diese Idee gefiel Sebastian ganz und gar nicht und daher reagierte er harscher, als er eigentlich wollte. »Du weißt, dass es ungehörig ist, wenn eine Frau und ein Mann sich von den anderen absondern.«
    Tillas Gesicht wurde weiß vor Zorn. »Du schließt wohl von dirauf andere! Ambros und ich haben gewiss nichts anderes vor als zu schlafen, während du …«
    Sie verstummte, aber ein beredter Blick traf Bruder Carolus, der etwas abseits saß und gedankenverloren seine Suppe aß. Da der Karmeliter sich während der Zeit, in der er mit der Gruppe gezogen war, nicht verdächtig gemacht hatte, war Tillas Vorwurf ungerecht. Sie hasste es jedoch, von Sebastian als lockeres Frauenzimmer angesehen zu werden, das nur auf eine Gelegenheit lauerte, mit einem Burschen in die Büsche zu kriechen.
    »Ich habe nichts mit Bruder Carolus gemacht und er nichts mit mir!« Sebastians Stimme nahm an Schärfe zu und für Augenblicke lag ein heftiger Streit zwischen ihm und Tilla in der Luft.
    Hedwig entschärfte die Lage. »Ich werde ebenfalls unter dem Vordach nächtigen, und ich glaube, Anna und Renata werden mir Gesellschaft leisten. Ich habe nichts gegen Franzosen, aber die Leute sind mir zu laut und zu besitzergreifend. Im Saal müssten wir uns mit einem kleinen Winkel begnügen, und wer weiß, wann wir dort zum Schlafen kämen. Da ist es im Freien doch besser.«
    »Die Gruppe sollte zusammenbleiben«, erklärte Vater Thomas tadelnd. Seit der Nachricht von marodierenden Söldnergruppen wirkte er sichtlich beunruhigt, denn solches Gelichter machte in seiner Raublust auch vor Pilgern nicht Halt.
    »Wir müssen auf Gott vertrauen, damit er uns den rechten Weg weist!« Obwohl es nur ein Gedanke sein sollte, sprach Vater Thomas diesen laut aus. Dann sah er die fragenden Gesichter seiner Anvertrauten auf sich gerichtet, rang sich ein Lächeln ab und vollführte eine Segensgeste. »Mögen Gott und der heilige Jakobus unsere Näpfe morgen Abend mit einer nahrhafteren Kost füllen!«
    »Amen!« Sebastian hatte seit Tagen das Gefühl, doppelt so viel essen zu können wie er erhielt. Damit stand er nicht allein.
    Hedwig hatte die Wallfahrt als dickliche Frau begonnen, die bereits bei leichten Anstiegen außer Atem geriet. Inzwischen hatte sie etliches an Gewicht verloren, konnte dafür aber ohne Schwierigkeiten steile Strecken bewältigen und den ganzen Tag lang ausschreiten ohne zu ermatten. Den Zwillingsschwestern erging es ähnlich. Sie hatten zwar nicht viel an Gewicht verlieren können, doch die Reise hatte ihrer Gesundheit gutgetan und sie wirkten um Jahre jünger als zu Beginn der Fahrt.
    Auch Tilla vermochte inzwischen Anstrengungen zu ertragen, die sie niemals für möglich gehalten hätte. Zunächst hatte sie geglaubt, bis auf die Knochen abzumagern und schon bald nichts Weibliches mehr an sich zu haben, doch ganz so schlimm war es nicht. Ihr Gesicht war schmal geworden und wohl doch auf eine angenehme Weise hübsch, wie ihr die Blicke der Männer um sie herum

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