Die Pilgerin
sein werden, und für Gottes Lohn. Wir sind aufgebrochen, um den Allmächtigen und den heiligen Jakobus um etwas zu bitten oder ihnen für eine gewährte Gnade zu danken, vergesst das nicht!« Vater Thomas’ Stimme wurde für einen Augenblick schneidend, denn einigen seiner Schäfchen schien es immer noch an der nötigen Demut zu fehlen.
Bruder Carolus, Ambros, Hedwig und Tilla machten sich auch gleich an die Arbeit. Sebastian und Dieter halfen ihnen, wenn auch sichtlich widerwillig, während der Rest sich damit begnügte, um sie herumzustehen.
»Vielleicht können wir doch davon trinken«, erklärte Manfred,dessen Zunge sich im Mund wie ein ausgetrocknetes Leder anfühlte.
»Dann solltest du mithelfen«, riet ihm der Pilgerführer.
»Wie denn? So viel Platz ist am Brunnen auch wieder nicht.« Manfred verschränkte die Arme vor der Brust und trat noch einen Schritt zurück. Dabei stolperte er über eine Bodenunebenheit und setzte sich auf den Hosenboden.
Während er mit einem ärgerlichen Fluch wieder auf die Beine kam, grinste Sebastian wie ein Schuljunge, dem ein guter Streich gelungen war. »Das ist die Strafe für deine Faulheit, Manfred.«
Dem Gescholtenen schwoll sofort der Kamm. »Dir gebe ich gleich die Faulheit, du Lümmel. Wer drückt sich denn meistens vor der Arbeit? Ich gewiss nicht!«
»Jetzt aber schon.« Sebastian trat vom Brunnen zurück. »Ich glaube, das reicht. Aber bis wir trinken könnten, müssten wir noch eine gewisse Zeit warten.«
Vater Thomas maß den Sonnenstand mit einem besorgten Blick. »Wenn wir das Kloster, zu welchem ein Mönch mir den Weg beschrieben hat, noch rechtzeitig erreichen wollen, können wir uns nicht länger hier aufhalten.«
»Dann hätten wir gleich gehen sollen!« Manfred murrte, denn er sah nicht ein, weshalb sie für andere den Brunnen hatten reinigen müssen, wenn sie dadurch Gefahr liefen, ihr Ziel erst nach Einbruch der Nacht zu erreichen.
Vater Thomas rief ihn mit einigen eindringlichen Worten zur Ordnung und schlug dabei den Weg ein, den er gewählt hatte. An diesem Tag hatte ihn noch keiner benützt, und sie fanden keine anderen Spuren als die schon etliche Tage alten Reste eines Lagerfeuers und von der Hitze ausgedörrte und bereits halb zerfallene Pferdeäpfel.
VI.
Der Abend dämmerte bereits, als sie das nächste Kloster erreichten. Doch anstelle gastfreundlicher Mönche warteten rußgeschwärzte Mauern und noch rauchende Balken auf sie. Wie es aussah, war die Abtei vor weniger als einem Tag niedergebrannt worden.
Vater Thomas machte sich Vorwürfe, weil er sich für diesen Umweg entschieden hatte, nur um der französischen Pilgergruppe zu entgehen. Äußerlich aber gab er sich gelassen, um seine entsetzten Schäflein zu beruhigen, und winkte Graf Rudolf zu sich. »Seht zu, ob Ihr noch irgendjemand hier findet, mag es ein Mönch sein, ein Knecht oder ein Bauer.«
»Nach Möglichkeit aber niemand von jenen, die das Kloster erstürmt und niedergebrannt haben«, rief Dieter dazwischen.
»Wir wissen doch gar nicht, ob das Kloster angezündet wurde oder einer Feuersbrunst zum Opfer gefallen ist.« Hedwig wollte ihn zurechtweisen, doch da zeigte Dieter auf eine zerbrochene Schwertklinge, die nicht weit von ihm entfernt auf dem Boden lag und im letzten Licht der untergehenden Sonne rot aufglühte. »Das ist kein Rost, sondern Blut!« Tilla schüttelte es und auf den Gesichtern der anderen malte sich ebenfalls Angst ab, die nicht geringer wurde, als sie noch andere Spuren des Überfalls entdeckten. Es lagen Pfeile herum, die abgeschossen und nicht mehr gefunden worden waren, und die Sandalen mehrerer Mönche, von denen einer steif war von getrocknetem Blut. Zuletzt fanden sie noch eine Reihe frisch ausgehobener Gräber.
Graf Rudolf deutete mit einer gewissen Erleichterung auf die Erdhügel mit den primitiven Kreuzen. »Wie es aussieht, gab es Überlebende. Sie haben ihre Toten bestattet und sind dann weggezogen.«
»Es können genauso die Angreifer gewesen sein, die ihre eigenen Leute unter die Erde gebracht haben, und wenn es doch Mönche waren, so hilft uns das auch nicht weiter. Sie sind fort und wir wissen nicht, wohin. Zu Essen erhalten wir hier auf jeden Fall nichts.« Dieter schimpfte und fluchte, wenn auch mehr, um seine Angst zu verbergen. Aber auch den anderen war danach, ihren Gefühlen Luft zu machen, denn die dünne Wassersuppe am Morgen und die paar Bissen, die Ambros Peter abgenommen hatte, hatten nicht ausgereicht, um sie halbwegs
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