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Die Pilgerin

Titel: Die Pilgerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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ein Stück steinharter Wurst in den Mund gesteckt und kaute nun schmatzend darauf herum. Schon bald fand er sich im Zentrum zorniger Blicke wieder und ehe er sich versah, packte Graf Rudolf ihn im Genick und schüttelte ihn wie einen jungen Hund.
    »Verdammter Kerl! Glaubst du, du kannst fressen, während uns anderen der Magen knurrt?« Diese Worte waren einem Herrn, der an den edelsten Höfen empfangen wurde, nicht angemessen, drückten jedoch genau das aus, was alle dachten.
    Ambros packte Peters Pilgertasche und leerte sie ungeachtet seiner Proteste aus. Zum Vorschein kamen ein Stück steinharten Brotes, ein faustgroßer Brocken Käse und eine fast unterarmlange Wurst, von der Peter sich gerade ein kleines Stück abgebrochen hatte. Diese Leckerbissen teilte der Goldschmied nun unter den anderen auf und bedachte Peter mit einem zornigen Blick. »Wenn du noch einmal nur an dich denkst, bist du nicht länger mein Weggenosse!«
    »Diebe, Räuber!«, keifte Peter, der sich in Starrheims hartem Griff wand. Er wagte es jedoch nicht, sich ernsthaft zu wehren oder gar Ambros anzugehen, sondern schimpfte vor sich hin, bis Vater Thomas ihm mit scharfer Stimme den Mund verbot.
    »Ambros hat Recht! Wir sind Gefährten auf einer langen und gefahrvollen Reise und müssen zusammenhalten. Tilla, Hedwig und Ambros teilen längst ihr Geld mit den anderen, doch du versteckst dein Essen und schlingst es heimlich hinunter, damit wir es nicht sehen sollen. Dies ist nicht wohl getan! Denke an den heiligen Martin, der seinen Mantel mit dem Bettler geteilthat, und an die heilige Elisabeth von Thüringen, die den Armen Brot und Speisen brachte. Du dagegen bist ein ganz erbärmlicher Wicht! Ich weiß nicht, wie ich dazu gekommen bin, ausgerechnet dich in meine Pilgergruppe aufzunehmen. Eines sage ich dir: Entweder du teilst ab sofort mit uns allen oder du gehst deiner Wege!«
    »Besser wäre es fast!« Peter warf dem Pilgerführer einen feindseligen Blick zu und forderte dann Starrheim auf, ihn endlich loszulassen. Als die Gruppe sich wieder in Marsch setzte, blieb er ein ganzes Stück zurück und sie hörten nur sein Gebrabbel, mit dem er sich über die Behandlung ausließ, die ihm zuteil geworden war.
    Es wurde eine harte und anstrengende Wanderung durch ein von schroffen Felsen gesäumtes Tal, welches sich mit jeder weiteren Stunde unter der Sonne aufheizte. Der Hunger war bald vergessen, denn jeder lechzte nach einem Schluck Wasser. Doch sie kamen nur wenige Male an einem Bachlauf vorbei und noch seltener schenkte dieser ihnen Labung. Meist befanden sich die Gewässer hinter schroffen Felsen abseits vom Weg, und sie vermochten zwar ihr Rauschen und Plätschern zu hören, konnten aber nicht zu ihnen gelangen.
    An einer Weggabelung hatten die Mönche eines nahen Klosters einen Trinkbrunnen für die Pilger errichten lassen. Aber auch dieser Ort bot keine Erfrischung, denn die Gruppe der Franzosen war erst vor kurzem weitergezogen und hatte den Platz verschmutzt hinterlassen. Selbst an der hölzernen Schöpfkelle, die mit einer Kette befestigt war, hing Dreck.
    »Verdammte Lumpenhunde! Da sollte man doch gleich mit der blanken Faust dreinschlagen«, schimpfte Dieter.
    Rudolf von Starrheim rieb sich mit der Rechten über das Kinn und dachte nach. »Ich glaube, das war die Rache dafür, dass dieLeute vor ein paar Tagen selbst an einen Platz kamen, den eine Gruppe aus unseren Landen in ähnlichem Zustand zurückgelassen hat. Wenigstens habe ich so etwas gehört, als ihr Pilgerführer sich bei den Mönchen im Kloster über die schlechten Sitten von uns Deutschen beschwert hat.«
    »Aber dafür können wir doch nichts!« Hedwig schüttelte angesichts von so viel Unvernunft den Kopf.
    »Das hilft uns jetzt auch nicht weiter. Aus diesem Brunnen können wir jedenfalls nicht trinken, es sei denn, wir säubern ihn erst und warten, bis das Wasser wieder klar geworden ist.« Ambros schien unsicher, ob er damit beginnen sollte.
    Vater Thomas schüttelte den Kopf. »Selbst wenn wir hier warten, bis das Wasser wieder trinkbar ist, müssen wir damit rechnen, dass uns diese Gruppe noch den einen oder anderen Streich spielen wird. Wir reinigen den Brunnen, dann biegen wir nach Süden ab. Der Weg mag ein wenig weiter sein, aber wir haben die Franzosen nicht mehr vor uns.«
    »Warum sollen wir den Brunnen sauber machen, wenn wir nicht davon trinken können?«, warf Manfred missmutig ein.
    »Für die Pilger, die uns folgen und um einen Schluck Wasser dankbar

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