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Die Pilgerin

Titel: Die Pilgerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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mit!« Hedwig hatte ihren Teil längst verzehrt und sah hungrig auf die Reste, an denen sich die Männer gütlich taten. Daher wollte sie sich ein wenig entfernen, denn sonst wäre die Versuchung zu groß gewesen, einem der anderen Pilger das Fleisch aus den Händen zu reißen und es hinunterzuschlingen.Anna und Renata schlossen sich ihnen an, da es den Frauen lieber war, bei diesen Verrichtungen unter sich zu sein. So konnte immer eine aufpassen, dass keiner der Männer in die Nähe kam.
    Doch auch diese mussten nun der Natur Zoll bezahlen. Sie stellten sich in einer Reihe auf und benässten die verrußte Außenmauer des Klosters. Danach trat Ambros das Feuer aus und wollte das Kreuz an sich nehmen, da er annahm, ein anderer wäre zu schwach dafür. Doch Bruder Carolus kam ihm zuvor und sah ihn mit einem scheuen Lächeln an.
    »Wir sollten uns heute beim Tragen abwechseln, Ambros. Selbst der stärkste Mann ermattet in der Hitze, wenn der Hunger ihn quält.«
    »Also gut! Fang du an, aber dann nehme ich das Kreuz.« Ambros trat einen Schritt zurück und ließ dem Karmeliter den Vortritt. Dieser hob das Kreuz auf, wuchtete es sich auf die Schulter und ging bis zu der Stelle, an der sich die Straße gabelte. »Gehen wir jetzt nach rechts oder nach links, Vater Thomas?«
    Der Angesprochene warf einen kurzen Blick zum Himmel und zeigte dann nach links. »Dorthin!«
    Seine Stimme schwankte jedoch, als er das nächste Gebet anstimmte, und verriet, dass er sich seiner Sache alles andere als sicher war.

VII.
    Der Weg, der zunächst noch halbwegs bequem ausgesehen hatte, verengte sich nach einer Weile zu einem besseren Ziegenpfad und führte steil bergan. Da es rasch heiß wurde und die Felsen die Hitze widerstrahlten, geriet die Gruppe bald inSchweiß. An diesem Tag konnte niemand das schwere Kreuz für längere Zeit tragen, selbst Ambros nicht, der geglaubt hatte, seine Kräfte seien unerschöpflich. Es gab auch keinen Bach in der Nähe des Pfades oder sonst ein Gewässer, an dem Tilla und ihre Begleiter ihren Durst hätten stillen können.
    Es war, als wolle der Herr die Seinen erproben, denn als es wieder abwärts ging und sie am späten Nachmittag erschöpft in ein Tal stolperten, trafen sie auf eine breite Straße, die aus der Richtung des niedergebrannten Klosters kam.
    »Wir haben uns umsonst durch die Berge geschlagen!« Dieter, der gerade das Kreuz trug, ließ es wie einen lästigen Gegenstand fallen. Bevor Vater Thomas oder ein anderer ihn zurechtweisen konnte, ertönte in nicht allzu großer Ferne ein Schrei. Gleichzeitig vernahmen sie das Geräusch von Schwerthieben.
    »Da wird jemand überfallen. Wir müssen ihm helfen!« Rudolf von Starrheim vergaß ganz, dass er als demütiger Pilger unterwegs war, sondern sprang auf, packte seinen Stock wie ein Schwert und rannte los.
    »Bleibt doch hier um des Himmels willen!«, rief Vater Thomas ihm nach. Der Edelmann hörte jedoch nicht auf ihn.
    Sebastian warf einen kurzen Blick auf Tilla und glaubte an ihrer Miene erkennen zu können, dass sie Starrheims Handeln guthieß, und wollte vor ihr nicht als Feigling dastehen. Daher nahm er ebenfalls seinen Stock und verzog seine Lippen zu etwas, das einem Grinsen gleichkommen sollte.
    »Ich werde unserem Gräflein wohl besser folgen. Nicht, dass ihm etwas geschieht!«
    Ambros und Manfred liefen hinter ihm her und nach einem tiefen Atemzug schloss auch Bruder Carolus sich ihnen an. Nur Dieter und Peter blieben zusammen mit Vater Thomas bei den Frauen. Der Priester hatte die Hände ineinander verkrampftund betete mit zitternden Lippen. Anna und Renata taten es ihm mit geschlossenen Augen nach, während Tilla und Hedwig nervös nach vorne blickten. Die Kampfgeräusche kamen immer näher. Hufschlag erscholl und dann sah Tilla eine Reiterin auf einem Schimmel im vollen Galopp auf sich zukommen. Zwei Männer auf braunen Kriegsrössern holten sie wenige Dutzend Schritte vor den wie erstarrt dastehenden Pilgern ein und rissen sie vom Pferd.
    Die Reiterin kam Tilla bekannt vor, obwohl sie sie in der Eile nicht einordnen konnte. Als die rauen Hände das junge Mädchen packten und zu Boden zwangen, kreischte sie, als habe man ihr einen Bratspieß durch den Leib gejagt. Einer der Männer hielt sie fest, während der andere ihr das Kleid hochschlug und ihren Unterleib entblößte. Die beiden waren so begierig, ihre Gefangene zu schänden, dass ihnen das Grüppchen der Pilger entging.
    Tilla sah zunächst wie erstarrt zu, doch als einer der

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