Die Pilgerin
auf denen normalerweise die Vorräte transportiert wurden. Tilla sah so viele Pfeile in ledernen Bündeln, als wollten die Franzosen die Sterne vom Himmel schießen. Andere Karren waren voll langer Lanzen mit eisernen Spitzen. Dazu gab es Wagen mit Fässern, solche mit kleinen, aus Eisen geschmiedeten Kanonen und auch einige, auf denen Planen die Dinge verhüllten, mit denen sie beladen waren.
»Was haben diese Leute mit uns vor?«, fragte Dieter, nachdem die französischen Ritter sie ohne ein Abschiedswort zurückgelassen hatten.
Starrheim zuckte mit den Schultern. »Wenn ich das wüsste, wäre mir wohler. Ich kann nur vermuten, dass Mademoiselle Blanches Vormund Gaston sie dem französischen Heerführer Guesclin ans Herz gelegt hat und dieser sie ein Stück weit beschützen will. Wir anderen sind ihnen vollkommen gleichgültig.«
Tilla sah ihm an, dass diese Erkenntnis ihn schmerzte. Als Edelmann und Neffe der österreichischen Herzöge Albrecht und Leopold hätte er eine bessere Behandlung erwarten können. Es muss wohl mit Saint Vith zusammenhängen, der partout gegen eine ganze Eidgenossenschar hatte kämpfen wollen, obwohl dasfür ihn und seine Begleiter wohl tödlich ausgegangen wäre. Starrheims besonnene Haltung hatte die beiden Edelleute vor einem frühen Tod bewahrt, und doch hatte Saint Vith seinem Freund Feigheit vorgeworfen.
Ein Schatten fiel auf Tilla, und als sie aufschaute, zuckte sie zusammen. »Herr Aymer!«
Sie war nicht erfreut, Hugues de Saltilieus Vetter zu sehen, denn er erinnerte sie zu sehr an jene doch recht angenehme Stunde und ihre Wünsche, die sich nun um Sebastian rankten.
Der Ritter hatte seinen Helm abgelegt und trug nur ein leichtes Kettenhemd, während seine Kriegsrüstung von einem Lastpferd getragen wurde. In Tillas Augen wirkte er so zufrieden wie ein Kater, der vor einer vollen Sahneschüssel saß und so viel schlabbern konnte, wie er wollte.
»Tilla! Ich freue mich, dass wir euch gefunden haben. Herr Gaston war in großer Sorge um sein Mündel, denn in Kastilien wird es erneut zum Krieg kommen, und er hat mir eingeschärft, für Blanches und eure Sicherheit zu sorgen.«
»Gäbe es hier keinen Krieg, wären wir wohl sicherer«, antwortete Tilla ätzend.
»Das mag wohl sein, nur liegt es nicht in unserer Hand, dies zu ändern. Auf alle Fälle können wir euch bis Burgos das Geleit geben. Was danach kommt, müssen wir sehen.«
Tilla wusste nicht, wie weit Burgos von der Stelle entfernt war, an der sie sich jetzt befanden, doch da Vater Thomas die Stadt nicht als einen der nächsten Rastplätze erwähnt hatte, mussten es mehrere Tage zu Fuß sein. Sie hoffte, dort die Franzosen verlassen und mit ihrer Gruppe allein weiterreisen zu können. Inmitten der schwatzenden und lachenden Soldaten, die Witze rissen und sich ungeniert über die körperlichen Vorzüge ihrerweiblichen Gäste unterhielten, würde es nicht einfach sein, die für eine Pilgerfahrt notwendige fromme Stimmung beizubehalten. Jetzt bedauerte sie, dass sie unterwegs die Ohren offen gehalten und sich von Starrheim das eine oder andere Wort erklären hatte lassen. Zwar konnte sie der Unterhaltung der Krieger und Trossknechte nicht richtig folgen, doch Blanches empörtes Schnauben ließ keinen Zweifel an der Schlüpfrigkeit mancher Ausdrücke aufkommen.
»Ich muss nun wieder zu meinen Leuten zurück. Wir sehen uns heute Abend!« Aymer de Saltilieu hob kurz die Hand und trabte an. Tilla verzog die Lippen und bezweifelte, dass ihre Pilgerfahrt unter dem Segen des heiligen Jakobus stand.
VII.
Bertrand du Guesclin schien es eilig zu haben, denn er ließ sein Heer bis in den Abend hinein marschieren. Erst kurz bevor die Sonne den westlichen Horizont berührte, befahl er anzuhalten und ein Lager aufzuschlagen. Tilla und ihre Leute wollten sich etwas von den Soldaten entfernen, doch noch während sie eine geeignete Stelle für die Nachtrast suchten, tauchte Aymer de Saltilieu wieder auf und deutete eine Verbeugung an.
»Mein Feldherr bittet euch, beim Nachtmahl seine Gäste zu sein!«
Sich zu weigern wäre in ihrer Situation Narretei gewesen, daher folgten Tilla und die anderen dem Ritter, der nun nicht mehr im Kettenhemd vor ihnen stand, sondern unter seinem hüftlangen Wappenrock nur eine lederne Weste trug. Sein Schwert hing an einem schief sitzenden Gürtel, der wohl zur Rüstung gehörte und nun ein paar Löcher enger geschnallt worden war. Es wargewiss besser, angesichts der rauen Söldner Waffen zu tragen,
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