Die Pilgerin
denn die Kerle hatten recht lose Mäuler und sahen so aus, als würden sie sich nur zu gerne an den Frauen der Pilgergruppe vergreifen. Doch solange diese unter dem Schutz ihres obersten Anführers standen, beließen sie es bei anzüglichen Worten und Gesten.
Bertrand du Guesclins Zelt war bereits errichtet worden, aber man hatte auf die Seitenwände verzichtet, so dass es einen großen Baldachin bildete, unter dem bereits mehr als ein Dutzend Offiziere Platz genommen hatten. Einer war prächtiger gekleidet als der andere, und sie prunkten mit grellfarbenen Wappen in einer Fülle, wie Tilla sie noch niemals erlebt hatte.
Am einfachsten war der Feldherr selbst gekleidet. Sein Wappenrock war von schlichtem Schwarz und wies kleine Wappentäfelchen mit einem doppelköpfigen Adler auf, über dem ein roter Schrägbalken lag. Doch seine Kleidung war, wie Tilla feststellte, aus bester Seide gefertigt, und die schwarze, mit einer einzelnen Reiherfeder geschmückte Kappe hatte gewiss ein kleines Vermögen gekostet. Seine Gewandung faszinierte Tilla jedoch weniger als seine Gestalt und sein Gesicht. Bertrand du Guesclin war mit Abstand der hässlichste Mann, den sie jemals gesehen hatte. Zwei Fingerbreit kleiner als sie wirkte er fast ebenso breit wie hoch. Er musste in vielen Kämpfen gestanden haben, denn sein Antlitz glich einer von Narben zerfurchten Fratze.
Beim Anblick der Pilger trat er lächelnd auf sie zu, begrüßte Blanche überschwänglich und ließ auch die anderen einschließlich Starrheims nicht aus. Es schien fast, als wolle er Philippe de Saint Viths beleidigendes Verhalten vergessen machen, denn er umarmte den Neffen der Habsburger Herzöge und lud ihn ein, neben ihm an dem aus Brettern und Böcken zusammengebautenTisch zu sitzen. Eine kostbare Decke verhüllte die primitive Tafel, an der eine ganze Reihe von Klappstühlen für die Gäste bereitstand.
Zu Tillas Überraschung wurde ihre gesamte Gruppe an die Tafel gebeten, und nachdem der Prediger des Feldherrn das Tischgebet gesprochen hatte, trugen vornehm gekleidete Pagen die Speisen auf. Trotz der kurzen Zeit, welche den Köchen zur Verfügung gestanden hatte, schmeckte das Essen ausgezeichnet. Es gab Brathähnchen, dicke Suppen, gebackenen Fisch und zum Nachtisch einen mit Wein getränkten Kuchen, der so intensiv nach Gewürzen duftete, dass Tilla davon fast schwindlig wurde. Während sie aß, blickte sie kurz zu Sebastian hin, dem es ebenfalls schmeckte. Zu seiner und, wie sie merkte, auch ihrer Freude hatte Vater Thomas ihm die Fastenstrafe erlassen, so dass er wacker mithalten konnte.
Während des Essens wurde die Unterhaltung eher allgemein gehalten, doch nachdem die Diener abgeräumt und Pokale mit rot funkelndem Rioja-Wein kredenzt hatten, richteten sich die Blicke der französischen Krieger auf die Pilgergruppe und sie tauschten leise Bemerkungen aus, die zumeist Starrheim galten. Tilla verstand kaum etwas, begriff aber, dass mehrfach der Ausdruck Feigling fiel.
Starrheim hockte mit bleichem Gesicht und zusammengepresstem Kiefer da, als würde er mit Nesseln gepeinigt. Alles in ihm schrie, seinen Zorn laut werden zu lassen, doch ohne Waffen konnte er weder die Franzosen herausfordern noch sich auf andere Weise Genugtuung verschaffen.
Du Guesclin ließ seine Gefolgsleute eine gewisse Zeit reden, dann gab er mit einem Wink zu verstehen, dass sie schweigen sollten. Er selbst drehte sich zu Starrheim um und sah ihn freundlich an. »Ihr wandelt auf frommen Pfaden, mein Freund. Habt Ihr dennin Euren jungen Jahren schon so viele Sünden auf Euch geladen, um diesen schweren Weg gehen zu müssen?«
»Nur eine: er hat vor schweizerischen Bauern feige gekniffen!« Saint Viths Worte waren eine einzige Beleidigung.
Das konnte Starrheim nicht mehr hinnehmen, doch als er aufspringen und dem anderen an die Kehle fahren wollte, legte du Guesclins Hand sich schwer auf seine Schulter. »Ihr müsst dem guten Saint Vith verzeihen. Er ist erst vor kurzem in den geheiligten Stand der Ehe eingetreten und darf zu seinen eigenen Farben nun auch noch die der Familie de la Tour tragen.«
Obwohl diese Worte in freundlichstem Ton vorgetragen wurden, trafen sie Starrheim wie ein Schlag. Sein Blick suchte Saint Vith, der seinen Triumph nicht zu verbergen suchte. »Der Comte de la Tour war der Ansicht, dass ein Feigling nicht das Anrecht besäße, um seine Tochter zu werben, und erwählte mich statt deiner zum Eidam.«
Nach diesen Worten schien ein Zweikampf
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