Die Pilgerin
deine beiden Mitpilger ein und du wirst einen Teil der Schuld, die du auf dich geladen hast, damit sühnen.«
Als Tilla dies hörte, fuhr sie empört auf. »Verzeiht, ehrwürdiger Vater, doch mit dieser Entscheidung zerbricht unsere Pilgergruppe, die so viel Leid und Schmerz gemeinsam ertragen hat!«
»Vertraue auf unseren Herrn Jesus Christus, meine Tochter! Er wird unsere Freunde beschützen und sie glücklich zu uns zurückkehren lassen. Wenn dies geschehen ist, werden wir unseren Weg nach Santiago gemeinsam fortsetzen.«
Da Tilla bei Vater Thomas kein Verständnis fand, wandte sie sich zornglühend an Sebastian. »Du bist ein blutiger Narr, dich auf so etwas einzulassen! Glaube nicht, dass ich dich betrauern werde, wenn du diesen Feldzug nicht überlebst. Du weißt doch nicht einmal, wo bei einem Spieß hinten oder vorne ist!«
Obwohl Sebastian sich des Risikos, welches er einging, durchaus bewusst war, lächelte er zufrieden vor sich hin. So offen hatte Tilla noch nie gezeigt, dass ihr etwas an ihm lag. Sie konnte nicht ahnen, dass sie der Grund war, der ihn dazu gebracht hatte, sich den Soldaten anzuschließen. Kam er mit leeren Händen nach Tremmlingen zurück, würde er weiterhin im Schatten des älteren Bruders stehen und zusehen müssen, wie Tilla Damians Frau wurde. Im Heer der Franzosen aber mochte sich ihm die Möglichkeit eröffnen, Beute zu machen, so dass er ihr das Leben bieten konnte, welches sie verdiente. Er wagte jedoch nicht, ihr dies ins Gesicht zu sagen. Daher wischte er sich die Haareaus der Stirn und lächelte verlegen. »Mein Vater hat bestimmt, dass ich später die Bürgermiliz unserer Stadt kommandieren soll, und da ist es von Vorteil, wenn ich wenigstens einmal in einem Gefecht gestanden habe. Ich muss ja schließlich wissen, was Kampf bedeutet.«
»Renn doch in dein Unglück!«, war Tillas einziger Kommentar.
Während du Guesclin wieder das Wort ergriff und in kurzen Worten seine Pläne erläuterte, zog Tilla sich in sich selbst zurück. Nie hätte sie geglaubt, dass sie jemals Angst um Sebastian haben könnte. Der Bursche schien das Kriegführen für ein Spiel zu halten, aus dem er ebenso unbeschadet herauskommen würde wie aus seinen Jugendstreichen. Vor ihrem inneren Auge sah sie ihn starr und tot auf dem Schlachtfeld liegen, und sie hätte ihn am liebsten abwechselnd geohrfeigt und angefleht, bei ihr zu bleiben.
Du Guesclin kümmerte sich nun nicht mehr um die Pilgergruppe, sondern rief seine Unteranführer zu sich. Ein Diener brachte eine auf weiche Kamelhaut gezeichnete Karte Kastiliens, die den Strapazen eines Feldzugs besser standzuhalten vermochte als eine auf Pergament oder gar Papier.
»Wir befinden uns derzeit hier«, erklärte der Feldherr und setzte seinen Finger zwischen die beiden Symbole, die die Städte Pamplona und Logroño bezeichneten. »An dieser Stelle werden wir uns dem Heer Heinrich von Trastamaras anschließen.« Sein Finger wanderte über Burgos nach Valladolid und kreiste dort ein Gebiet ein, das von Zamora bis Padilla reichen mochte.
»Wir werden rasch marschieren müssen, denn wir können nicht riskieren, dass Trastamaras Heer von den Truppen König Pedros zur Schlacht gezwungen wird, bevor wir uns mit ihm vereint haben.«
Die meisten seiner Unteranführer waren erfahrene Kämpen und nickten, während die Jüngeren von seiner Erfahrung lernen wollten. Du Guesclin sah einen nach dem anderen an, bis sein Blick auf Aymer de Saltilieu haften blieb. »Wir haben noch zwei Probleme, und das sind die Engländer im Guyenne und König Karl von Navarra. Beide sind in der Lage, uns in den Rücken zu fallen, und die Engländer werden dies auf jeden Fall versuchen. Wohl ist Prinz Eduard derzeit erkrankt und vermag seine Krieger nicht selbst anzuführen, doch weiß ich aus sicherer Quelle, dass sein Bruder Johann, der Herzog von Lancaster, einen seiner Heerführer mit einer Hilfstruppe in Marsch gesetzt hat. Dieses Heer kann bereits morgen, in einer Woche oder auch erst in einem Monat kastilischen Boden erreichen, doch es darf unter keinen Umständen in unserem Rücken bleiben. Dies zu verhindern, ist Eure Sache, Saltilieu. Ich gebe Euch ein Viertel meiner Leute, darunter auch Saint Vith mit seinem Aufgebot sowie den Grafen Starrheim. Unter den Augen des jeweils anderen werden die beiden gewiss Heldentaten vollbringen!«
Dieser Entschluss war ebenso gemein wie genial, das konnte man von den Gesichtern der beiden Edelleute ablesen. Du Guesclin nickte zufrieden
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