Die Pilgerin
und blickte dann zum Himmel auf, der sich mittlerweile wie eine Kuppel aus schwarzblauem Samt über dem Lager spannte und von Tausenden von Sternen geschmückt wurde.
»Es ist spät geworden und wir müssen morgen bei Tagesanbruch weiterziehen. Ich wünsche euch eine gute Nacht, meine Herren.«
Starrheim hob die Hand, um die Aufmerksamkeit des Heerführers auf sich zu ziehen. »Was ist mit meinen Begleitern? Ich habe geschworen, mit ihnen nach Santiago zu ziehen, und will diesen Eid nicht brechen.«
»Das müsst Ihr auch nicht. Ich werde Eure Pilger von ein paar Leuten in ein nahe gelegenes Kloster bringen lassen. Dort können sie auf Eure Rückkehr warten.«
Tilla fauchte, als sie die Übersetzung von du Guesclins Worten hörte. Doch zu ihrem Ärger hörte niemand auf sie. Hedwig packte sie am Arm und erinnerte sie daran, dass sie noch kein eigenes Schlafquartier gefunden hatten. In der Nacht noch nach etwas Passendem zu suchen, war zu gefährlich, und so hüllte die Gruppe sich in der Nähe eines Lagerfeuers in ihre Pelerinen und nächtigte unter freiem Himmel. Dabei musste Tilla Blanche regelrecht einfangen, denn das Mädchen wollte sich zu Starrheim legen und ihn über die Anmaßung seines früheren Freundes hinwegtrösten. Mehr denn je bedauerte Tilla, dass sie sich um Graf Gastons Mündel kümmern musste, denn sie hatte mit sich und ihren eigenen Sorgen wahrlich genug zu tun.
VIII.
Während du Guesclins Heer weiterzog, um sich den Truppen anzuschließen, die Heinrich von Trastamara aufgestellt hatte, und Aymer de Saltilieu mit etwas mehr als zweitausend Mann zurückblieb, um den Engländern den Weg zu verlegen oder sie wenigstens daran zu hindern, entscheidend in den Kampf um Kastilien einzugreifen, wurde die arg geschmolzene Pilgergruppe nach Puente la Reina gebracht. Dort übergaben sie ihr Pilgerkreuz, das sie von Ulm bis an diese Stelle getragen hatten, den Mönchen des Klosters, in dem sie bis zur Rückkehr ihrer Freunde bleiben sollten, mit der Bitte, es für sie bis zu dem Tag aufzubewahren, an dem sie weiterziehen würden.
Die Stimmung der einzelnen Mitglieder war unterschiedlich,doch keiner von ihnen gab sich der reinen Freude hin, endlich den müden Füßen Ruhe gönnen zu können. Tilla, die ihren eigenen Gedanken nachhing, sonderte sich bald von den anderen ab, setzte sich tagsüber auf den Rand der Brücke über den Fluss Arga, die dem Ort den Namen verliehen hatte, und starrte auf das rasch fließende Wasser hinab.
Sie fühlte sich müde und zerschlagen und kämpfte mit dem Gefühl, dass Santiago ein allzu fernes Ziel zu sein schien, welches sie wohl nie erreichen würde. Außerdem vermisste sie Sebastian mehr, als sie es sich selbst eingestehen wollte, und in ihre Sorgen verstrickt kümmerte sie sich kaum um ihre Begleiter.
Von Ambros wusste sie nur, dass er den Mönchen angeboten hatte, einige ihrer heiligen Gerätschaften zu reparieren, die durch das oftmalige Verstecken vor durchziehenden Heeren arg gelitten hatten. Vater Thomas weilte als geehrter Gast beim Abt des Klosters, während Blanche die meiste Zeit in der Kirche verbrachte, um zu beten. Tilla nahm an, dass sie Gott und die Heiligen bat, sich Starrheims anzunehmen. Nachdem dessen Braut sich mit Philippe de Saint Vith vermählt hatte, stand es dem Habsburger-Spross frei, sich eine andere Gemahlin zu suchen, und Blanche betete wohl auch darum, dass das Auge des jungen Edelmanns auf sie fiel. Wohl zählte sie erst vierzehn Jahre, doch in ihren Kreisen wurden oft noch jüngere Mädchen ins Brautbett geleitet.
Tilla war mit Blanche nicht so warm geworden, dass sie ihr aus vollem Herzen Glück wünschte, zumal sie selbst um Sebastian bangte. Zwar wusste sie nicht, ob er sich etwas aus ihr machte, und konnte sich auch nicht vorstellen, wie es mit ihr und ihm weitergehen sollte. Wenn sie zusammenkamen, würden sie ihren Erbteil von Otfried erstreiten müssen, und das machte ihr Angst. Immerhin hatte er den Vater getötet und würde auch vor einem weiteren Verbrechen nicht zurückschrecken. Sebastianwar zwar ein mutiger Bursche, doch glaubte sie nicht, dass er Otfrieds Schlichen gewachsen war. Vielleicht war es wirklich das Beste, darauf zu hoffen, dass Sebastian mit reicher Beute aus dem Krieg zurückkehrte. Dann würde es ihnen möglich sein, in einer fremden Stadt neu zu beginnen. Bei dem Gedanken wurde sie an Olivia und deren Prophezeiung erinnert. Die weise Frau musste tief in ihr Herz hineingesehen und dabei Gefühle entdeckt
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