Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Pilgerin

Titel: Die Pilgerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
Vom Netzwerk:
in die Sänfte, die von vier kräftigen Knechten getragen wurde. Ein halbes Dutzend handfester Kerle begleiteten den Hochzeitszug und trieben jeden zurück, der sich der Gruppe nähern wollte.
    Tilla überlegte, ob sie um Hilfe rufen sollte. Auch wenn niemand bereit war, Gürtler in den Weg zu treten, so würde sicher jemand zu Laux laufen, um dem Bürgermeister und dessen Söhnen von dem infamen Streich zu berichten, den man ihr gespielt hatte. Als sie jedoch an Damian dachte, schüttelte sie den Kopf. Er war Geschäftsmann durch und durch und würde den Vertrag, den ihr Bruder mit Gürtler geschlossen hatte, ohne Widerspruch akzeptieren. Sebastian wäre vielleicht bereit, etwas zu unternehmen, aber der war noch ein halber Knabe und gewiss nicht der Mensch, auf dessen Wort irgendjemand hören würde. So blieb ihr nichts anderes übrig, als sich zur Schlachtbank schleppen zu lassen.

V.
    In Gürtlers Anwesen wurden der Hausherr und seine Begleiter bereits erwartet. Ein Dutzend Knechte und Mägde standen auf dem Hof, um die Braut zu begrüßen, und sahen den Ankömmlingen erwartungsvoll entgegen. Auf einigen Gesichtern las Tilla Mitleid, denn die Leute hatten miterlebt, wie Gürtler seine erste Gattin behandelt hatte, und glaubten nicht, dass er mit seiner zweiten Ehefrau sanfter verfahren würde.
    Gürtler hatte nicht die Absicht, mit seinen Dienstboten einen Hochruf auf die junge Hausfrau auszubringen oder ihr die Leutevorzustellen, sondern zerrte Tilla aus der Sänfte und stieß sie ins Haus. Kurz darauf befand sie sich in der Kammer, in der ihr frisch angetrauter Mann die Ehe vollziehen wollte. Es schien, als wäre der Raum selbst ein Omen für ihre Zukunft. Nichts hier atmete Behaglichkeit. Das Bett war schmal und der aufgebundene Betthimmel von einer dumpfen, braunen Farbe, die die Düsternis der altersdunklen Holzwände und der schmucklosen Decke noch unterstrich. Ein paar Truhen, deren Bemalung zur Unkenntlichkeit verblasst war, ein Gestell für die Waschschüssel und eine trübe glimmende Öllampe vervollständigten das traurige Inventar.
    »Verdammt, ich hatte doch befohlen, eine Kanne Wein bereitzustellen!« Gürtler rief mit zorniger Stimme nach seinem Leibdiener, der kurz darauf mit dem Gewünschten erschien.
    »Wieso hat das so lange gedauert?«, fuhr Gürtler ihn an.
    »Verzeiht, Herr, doch ich wollte den Wein so frisch wie möglich zu Euch bringen. Er wird in der Wärme so schnell schal.« Die Worte des Dieners klangen vernünftig, trotzdem versetzte Gürtler ihm mit der Linken einen Schlag. Mit der anderen Hand hielt der Kaufherr noch immer Tilla fest. Dann fiel sein Blick auf die beiden silbernen Becher, die der Diener neben den Krug stellte.
    »Verfluchter Narr! Du weißt doch, dass ich es nicht mag, wenn Weiber Wein trinken.« Er hob erneut den Arm, doch diesmal trat der Diener schnell genug aus seiner Reichweite.
    »Aber Herr, wollt Ihr denn nicht zum Anlass Eurer Hochzeit mit Eurer Braut anstoßen?«
    »Überlass das Denken denen, die etwas davon verstehen. Nimm diesen Becher wieder mit und verschwinde. Halt, vorher füllst du mir den meinen!«
    Gürtler wartete nicht, bis der Diener ihm das Gefäß reichte,sondern riss es ihm aus der Hand und leerte es in einem Zug. Dann ließ er sich noch einmal vollschenken, scheuchte den Mann mit einer knappen Bewegung seines Kopfes hinaus und gab Tilla einen Stoß, der sie in Richtung Bett trieb.
    »Zieh dich aus!«, befahl er ihr, trat zur Tür und legte den Riegel vor. Seine Stimme drückte zwar eine gewisse Ungeduld aus, aber keine Leidenschaft.
    Tilla war von ihrem Vater dazu erzogen worden, eine gehorsame Ehefrau zu werden. Über diese Behandlung aber ärgerte sie sich so, dass sie mit verschränkten Armen stehen blieb. Soll er mich doch schlagen, dachte sie. Freiwillig erhält er nichts von mir!
    Gürtler wartete einige Herzschläge lang, dann hob er die Faust, um sie zu züchtigen. Als er zuschlagen wollte, huschte ein seltsamer Ausdruck über sein Gesicht und er ließ die Hand sinken. Auch wenn er persönlich wenig auf die Meinung anderer gab, so konnte er es sich nicht leisten, Tilla mit Schrammen im Gesicht und blau geschlagenen Augen herumlaufen zu lassen.
    »Wie du willst!« Er packte sie, riss ihr Kleid auf und schälte sie aus all den Lagen Stoff, in die eine Bürgerin sich zu hüllen pflegte, ohne nur ein Band zu öffnen. Als sie nackt vor ihm stand, nickte er anerkennend. Seine neue Frau war zwar recht groß, hatte aber trotz ihrer schlanken

Weitere Kostenlose Bücher