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Die Pilgerin

Titel: Die Pilgerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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geschlichen ist! Der Kerl ist über den Garten ins Haus eingedrungen, und ich habe mich auf die Lauer gelegt, um ihn beim Herauskommen abzufangen. Aber er war zu flink für mich und als ich ihn verfolgt habe, bin ich gestolpert und in den Dreck gefallen.«
    Damian brüllte vor Lachen. »Mein tapferer Bruder hat Willinger vor Schaden bewahren wollen und ist hereingefallen! Hättest du die Büttel geholt, wäre es vernünftiger gewesen! Deren Aufgabe ist es, sich um einen lumpigen Dieb zu kümmern.«
    »Es war kein Dieb!«, rief Sebastian empört. »Der Mann wurde erwartet, denn man hat ihm die Hintertür geöffnet. Nein – ich glaube, der Kerl hatte sogar einen Schlüssel dabei.«
    Er dachte kurz nach und zuckte dann mit den Schultern. »Ich weiß nicht genau, wie er ins Haus gekommen ist. Aber auf alle Fälle hat er sich sehr verdächtig benommen. Hätte ich ihn abfangen können, wären wir vielleicht in der Lage gewesen, das ganze Ausmaß der Verschwörung im Rat aufzudecken. Denkt daran, Veit Gürtler und Otfried Willinger waren die besten Freunde, und der Ratsherr hat Tilla gewiss nicht ohne Grund geheiratet, sondern um seinen Bund mit ihrem Bruder zu stärken.«
    »Das sind doch alles Hirngespinste, die dir der Wein eingegeben hat! Wasch dich und sieh zu, dass du ins Bett kommst. Der morgige Tag kommt früh genug. Und jetzt gute Nacht.« Damian drehte sich brüsk um und kehrte ins Haus zurück. Auch die anderen verstreuten sich wieder und ließen Sebastian allein auf dem Hof zurück. Sein Vater war bereits an der Tür, als er sich noch einmal umdrehte.
    »Damian hat Recht. Du solltest dich säubern und schlafen gehen. Wir werden morgen über die Sache reden!«
    Diese Antwort stellte Sebastian halbwegs zufrieden, aber als er am nächsten Tag erwachte, hatte sein Vater das Haus wegen einer wichtigen Ratssache verlassen und sein Bruder machte die Drohung wahr, ihn jede am Vortag versäumte Arbeit nachholen zu lassen, und er trug ihm gleich noch ein paar weitere Pflichten auf.

XIII.
    Tillas Verschwinden blieb länger unentdeckt, als sie es sich hatte vorstellen können. An diesem Tag benötigte ihr Bruder nichts aus seiner Geldtruhe, und da er auch nicht in die Kammer seines Vaters blickte, blieb ihm verborgen, dass der Zinnbehälter mit dem Herzen ebenso verschwunden war wie Gürtlers Schatulle.
    Im Gürtler-Anwesen selbst scherte sich niemand um Tilla. Man sah in ihrem Fehlen bei den Mahlzeiten einen ersten Sieg über die verhasste Witwe des Hausherrn und bemühte sich, sie mit noch heftigeren Verwünschungen und Beschimpfungen mürbe zu machen.
    Die Nacht kam, ohne dass jemand ihr Zimmer betrat, und auch am nächsten Tag geschah es nur aus Zufall. Eine Magd benötigte einen Gegenstand, der zuletzt in Tillas Kammer gesehen worden war, und platzte ohne anzuklopfen hinein. Doch statt einer ängstlichen und dem Wahnsinn nahen Frau entdeckte sie nur geschlossene Truhen und ein nachlässig gemachtes Bett. Als sie aus Neugier den Nachttopf unter dem Bett hervorzog, wurde ihre Miene noch länger. Das Gefäß war leer, also musste die Witwe den Abtritt im Hof benutzt haben, doch niemand hatte sie durchs Haus oder über den Hof laufen sehen.
    Verwirrt verließ die Magd die Kammer und stieg nach unten. »Hat jemand die Willingerin gesehen?«, fragte sie in der Küche.
    Die Köchin schüttelte den Kopf. »Nicht, dass ich wüsste. Warum?«
    »In ihrer Kammer ist sie nicht, und der Nachttopf ist leer.«
    »Vielleicht hat sie ihn selbst zum Abtritt gebracht!« Die Köchin wollte sich wieder ihren Töpfen und Kesseln zuwenden, als Regula Böhdinger hereinkam.
    »Was höre ich da? Wo ist das Miststück, das mein Bruder uns ins Haus geschleppt hat?«
    »Zumindest nicht in ihrer Kammer!«, antwortete die Magd.
    »Irgendwo wird sie schon sein. Vielleicht ist sie zu ihrem Bruder gegangen.« Regula gab wenig auf Tillas Verschwinden. Letztlich käme es ihr gelegen, wenn ihre verhasste Schwägerin in ihr Elternhaus zurückgekehrt wäre.
    Die Magd hatte unterdessen wie ein guter Jagdhund Witterung aufgenommen und wollte dieses Geheimnis lösen. »Ich frage den Torwächter!« Damit verschwand sie und kehrte bald mit einem verwirrten Gesichtsausdruck zurück.
    »Tilla hat weder gestern noch heute das Anwesen verlassen. Doch eines ist seltsam: Als der Knecht gestern Morgen das Hoftor öffnen wollte, lag der Balken am Boden und das Tor war nur angelehnt. Er hat nichts gesagt, weil er dachte, der hochwürdige Herr Pfarrer wäre bereits zu

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