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Die Pilgerin

Titel: Die Pilgerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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nach Tilla gesucht habe, ist mir aufgefallen, dass das Behältnis mit dem Herzen Eures Vaters verschwunden ist.«
    Otfried stockte einen Augenblick und nickte dann, als müsse er sich selbst etwas bestätigen. »Wenn das so ist, dann kann sie nur bei Laux sein. Der ist der Einzige, von dem sie sich in dieser Situation Hilfe erhoffen kann, und wenn er es nur tut, um mir zu schaden! Ilga, sorge dafür, dass unsere Knechte sich bereitmachen, um mich zu begleiten. Dem Schuft werde ich heimleuchten, das sage ich euch.«
    Er traute Laux die Schlechtigkeit zu, bei Tilla ebenfalls auf die Trauerzeit zu verzichten und sie umgehend mit seinem ältesten Sohn zu verheiraten. Der Gedanke, dass der Bürgermeister ihm dann nicht nur Tillas Mitgift abfordern, sondern ihm auch noch in die Geschäfte des Handelshauses Gürtler hineinreden würde, ließ ihn jede Vorsicht vergessen.

XIV.
    Otfried zog an der Spitze seiner mit Stöcken, Knüppeln und Messern bewaffneten Knechte zu Laux’ Haus und gab einem Mann den Befehl, gegen das Tor zu schlagen.
    »Ja, ja! Ich komme ja schon«, scholl es etwas ärgerlich zurück.
    Laux’ Torknecht zog einen Flügel auf, wollte ihn aber sofort wieder schließen, als er das gute Dutzend bewaffneter Kerle sah, die Otfried begleiteten. Diese stemmten sich jedoch sofort gegen das Tor und stießen es auf.
    Otfried trat auf den Hof, auf dem geschäftiges Treiben herrschte, und schrie den ersten Mann an, der ihm über den Weg lief, er solle den Bürgermeister holen.
    Es dauerte nicht lange, dann erschien Koloman Laux in der Haustür und blickte mit gerunzelter Stirn auf Otfried und dessen Schar. »Was soll dieser Aufruhr?«
    Er zeigte keine Angst, denn die Zahl seiner eigenen Knechte war etwas größer als die des anderen und zudem konnte er auf die Unterstützung durch seine Nachbarn rechnen, mit denen er im guten Einvernehmen lebte.
    Otfried blieb breitbeinig vor Laux stehen und bleckte die Zähne. »Ich will meine Schwester zurückholen, die sich bei Euch versteckt hält! Sie ist nicht mehr bei Sinnen und muss in guter Hut gehalten werden.«
    Der Bürgermeister rieb sich verwirrt über die Stirn. »Eure Schwester soll bei mir sein? Wie kommt Ihr denn darauf?«
    »Tilla hat das Gürtler-Anwesen heimlich verlassen und muss in meinem Haus gewesen sein, denn das Behältnis mit dem Herzen meines Vaters ist verschwunden. Nur sie kann es genommen haben und Ihr seid der Einzige, der ihr Unterschlupf gewähren würde.« Otfried sah aus, als wolle er Laux zur Seite stoßen und in dessen Haus eindringen.
    Der Bürgermeister senkte betroffen den Kopf. Tillas Verschwinden war keine gute Nachricht. Fast wünschte er, sie wäre wirklich zu ihm gekommen, auch wenn es deshalb einen heftigen Streit mit ihrem Bruder gegeben hätte. So aber konnte er nur mit den Schultern zucken. »Also, bei mir ist Eure Schwesternicht, und sie hat mich auch nicht aufgesucht. Darauf gebe ich Euch mein Wort.«
    »Was gilt schon ein Wort. Das ist leicht ausgesprochen!« Otfried schäumte vor Wut und für Augenblicke sah es so aus, als wolle er seinen Leuten befehlen, gegen Laux’ Knechte vorzugehen.
    Dem Bürgermeister lag nichts an einer Zuspitzung der Lage. »Wenn Ihr wollt, könnt Ihr nachsehen. Doch Ihr werdet erlauben, dass ich den Ratsherrn Schrimpp hinzuziehe. Dies scheint mir eine schwer wiegende Angelegenheit zu sein.«
    »Tut das, doch Ihr werdet erlauben, dass meine Leute alle Ausgänge Eures Anwesens überwachen.« Otfried war unsicher geworden, wollte sich aber nicht übertölpeln lassen.
    Laux kam ihm auch in dieser Hinsicht entgegen. »Tut das! Ich werde meine Leute anweisen, dass niemand meinen Grund und Boden verlassen darf!«
    Jetzt war Otfried zufrieden. Da Matthias Schrimpp nach kurzer Zeit in Begleitung mehrerer Büttel erschien, konnte die Hausdurchsuchung beginnen. Obwohl Otfried in jeden Winkel und in jede Kiste schauen ließ und sogar im Keller eigenhändig die Fässer abklopfte, fand er weder seine Schwester noch Spuren, die darauf hindeuteten, dass sie in letzter Zeit hier gewesen sein könnte.
    »Ich glaube, jetzt wäre eine Entschuldigung angebracht«, erklärte der Bürgermeister, als sie wieder auf dem Hof standen.
    Otfried ballte die Fäuste in hilfloser Wut. »Verdammt soll sie sein!« Als er den entgeisterten Blick von Laux sah, hielt er es jedoch für besser, einzulenken. »Verzeiht, aber ich vergehe vor Sorge um Tilla. Sie ist, wie ich schon sagte, nicht mehr ganz richtig im Kopf.«
    Laux gab ihm keine

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