Die Pilgerin
wird deine Braut dich als Feigling ansehen und verachten.« Dem jungen Burgunder ging es sichtlich gegen den Strich, dass sein Freund sich vor den Schweizern demütigen wollte.
Um Starrheims Lippen spielte ein eigenartiges Lächeln, als er allen Vorhaltungen seines Begleiters zum Trotz aus dem Sattel stieg und den Helm und seine Panzerhandschuhe an den Sattel hing. Dann wandte er sich an Vater Thomas, der in seiner Nähe stand, und beugte vor ihm das Knie.
»Ehrwürdiger Priester! Ich gelobe hiermit, euren weiteren Weg mit euch zu teilen und mit euch zum Grab des heiligen Apostels Jakobus zu pilgern. Nicht aus Angst bin ich vom Pferd gestiegen,sondern aus Ehrfurcht vor eurem heiligen Tun, dem ich mich anschließen will.«
Während die Schweizer überrascht aufkeuchten, stand Vater Thomas da und wusste nicht, was er darauf antworten sollte. Schließlich befeuchtete er seine Lippen, damit die Worte besser rutschten, und wiegte zweifelnd den Kopf.
»Eine Pilgerschaft ist eine ernsthafte Angelegenheit, Herr Ritter. Man kann sie nicht an einem Tag geloben und am anderen wieder vergessen.«
Starrheims Lächeln wich einem Ausdruck heiligen Ernstes. »Das habe ich auch nicht vor. Ich schwöre, nicht eher wieder in den Sattel eines Pferdes zu steigen, bevor ich die heilige Säule zu Santiago mit meinen Armen umfangen und mit meinen Lippen geküsst habe!«
»Eigentlich solltest du deine Braut küssen. Sie wird sich nicht sonderlich freuen, wenn sie mit Heirat und Brautbett warten muss, bis du deine Wallfahrt vollendet hast.« Die Stimme des Burgunders triefte vor Hohn und Zorn.
Sein Freund sah ihn mit einem wehmütigen Lächeln an. »Es ist besser, sie wartet auf mich, als dass sie mich als Feigling begrüßen muss, so wie du es gesagt hast. Reite zu Erminolde, Philippe, und richte ihr aus, dass ich mich verspäten werde. Doch diese Brautfahrt soll nicht durch Blut befleckt werden.«
»Du willst es ja nicht anders!« Philippe de Saint Vith ergriff die Zügel von Starrheims Pferd und warf sie dessen Knecht Gero zu. »Pass auf das Pferd deines Herrn auf. Er braucht es, wie er sagt, nicht mehr, bis er aus Santiago zurückkehrt. Und jetzt gebt den Weg frei! Ich habe mit diesem Narren da nichts mehr zu tun.« Saint Vith ritt an und ließ sein Pferd wie einen Pflug durch die Reihen der Schweizer gleiten. Sein Verhalten war tollkühn, denn jederzeit konnte ihn einer der Reisläufer mit seinemHakenspieß aus dem Sattel zerren oder ihm trotz seiner Rüstung mit dem Beil einen Oberschenkel oder den Brustkorb zertrümmern.
Die Schweizer blieben jedoch ruhig und ließen den Ritter samt den vier Waffenknechten ziehen. Starrheim blickte seinen Leuten nach und Tilla las auf seinen Zügen eine gewisse Enttäuschung, dass kein Einziger seiner Männer abgestiegen und bei ihm geblieben war.
Der Hauptmann der Reisläufer bleckte die Zähne wie ein Hund, der nicht so recht weiß, ob er zubeißen oder es beim Bellen belassen soll. Dann winkte er seinen Leuten, ihm zu folgen. Starrheim, der noch in Rüstung, aber barhäuptig und zu Fuß, vor ihm stand, schenkte er keinen Blick mehr.
Zum zweiten Mal an diesem Tag mussten die Pilger den Weg freigeben, doch anders als zuvor gab es keine Verletzungen. Die Schweizer zogen an ihnen vorbei und verschwanden in der Ferne. Währenddessen entledigte Starrheim sich seiner Wehr und stand schließlich in einer Leinentunika und gewirkten Strümpfen vor Vater Thomas. Dieser schien nicht recht zu wissen, was er mit dem unverhofften Zuwachs anfangen sollte.
»Da du geschworen hast, unseren Weg nach Santiago zu teilen, kannst du uns ebenso folgen wie dieser junge Mann dort!« Der Pilgerführer zeigte auf Sebastian, der aus Neugier näher an die Gruppe herangetreten war als die erlaubten sechs Dutzend Schritte. Ganz wohl war Vater Thomas bei dieser Entscheidung nicht, denn auch wenn er die beiden nicht offen in seine Gruppe aufnahm, so fühlte er sich doch für sie verantwortlich. Daher kämpfte er mit dem Gefühl, sich über Jesus Christus stellen zu wollen, der sich mit zwölf Begleitern begnügt hatte, während seine Schar inzwischen auf vierzehn angewachsen war.
Vater Thomas’ Entscheidung blieb nicht unumstritten, Hermannfuhr wie ein Kampfhahn auf ihn und den jungen Ritter los. »Der Kerl hat bei uns nichts zu suchen! Immerhin haben seine Leute meine beiden Tanten über den Haufen geritten und schwer verletzt!«
»So schwer auch wieder nicht!«, versuchte Anna den Zorn ihres Neffen zu dämpfen. Doch
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