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Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki

Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki

Titel: Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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Ungewissheit darauf zu warten, dass jemand sich bei ihm meldete.
    Das Ergebnis war dasselbe: Man richtete ihm mit teilnahmsloser, bedauernder oder neutraler Stimme aus, der Betreffende sei nicht zu Hause. Tsukuru bedankte sich knapp, aber höflich und legte auf. Diesmal hinterließ er keine Nachrichten. Genau wie er diesen Zustand auf die Dauer nicht ertrug, würden seine Freunde es vielleicht auch nicht ertragen, sich weiter verleugnen zu lassen. Oder zumindest würden ihre Familien, die das Telefon beantworten mussten, bald den Dienst verweigern. Tsukuru rechnete damit, dass irgendwann eine Reaktion eintreten würde, wenn er immer wieder anrief.
    Wie erwartet erhielt er gegen acht Uhr abends einen Anruf von Ao.
    »Es tut mir leid, aber ich muss dich bitten, nicht mehr anzurufen. Keinen von uns«, sagte Ao übergangslos. Kein »Hallo«, kein »Wie geht’s?«, kein »Lange nicht gesehen«. Die Einleitung war nur eine Floskel.
    Tsukuru schluckte, wiederholte den Satz im Kopf und überlegte hastig. Er versuchte, eine Gefühlsregung aus Aos Tonfall herauszuhören. Doch was er sagte, klang nicht anders als eine offizielle Bekanntmachung und bot nicht den geringsten Zugang zu seiner Gefühlslage.
    »Wenn ihr nicht wollt, dass ich euch anrufe, werde ich es natürlich nicht mehr tun«, erwiderte Tsukuru fast automatisch. Er hatte es unbeeindruckt und kühl sagen wollen, aber seine Stimme klang wie die eines Fremden. Die Stimme von jemandem, der irgendwo in einer fernen Stadt lebte und dem er noch nie begegnet war (und auch nie begegnen würde).
    »Wir bitten darum«, sagte Ao.
    »Ich habe nicht die Absicht, mich aufzudrängen«, sagte Tsukuru.
    Ao gab weder einen Seufzer noch einen zustimmenden Laut von sich.
    »Ich will nur den Grund wissen.«
    »Den wirst du von mir nicht erfahren«, sagte Ao.
    »Von wem dann?«
    Auf der anderen Seite der Leitung herrschte kurz Schweigen. Ein Schweigen wie eine dicke Mauer. Ein leichtes Schnauben ertönte. Tsukuru wartete, während er Aos flache, fleischige Nase vor sich sah.
    »Kannst du dir den Grund nicht selbst denken?«, fragte dieser endlich.
    Tsukuru war einen Moment lang sprachlos. Was redete Ao da? Was sollte er sich selbst denken? Was denn noch denken? Er war ja vor lauter Grübeln schon kaum noch er selbst.
    »Schade, dass es so gekommen ist«, sagte Ao.
    »Sind alle dieser Meinung?«
    »Ja, alle finden das schade.«
    »Komm schon, sag, was war los?«, fragte Tsukuru.
    »Frag dich doch mal selbst«, sagte Ao. Seine Stimme zitterte leicht vor Zorn und Traurigkeit. Aber das dauerte nur einen Moment. Tsukuru legte auf, bevor ihm eine Antwort einfiel.
    »Und mehr hat er nicht gesagt?«, fragte Sara.
    »Es war ein ganz kurzes Gespräch. Genauer kann ich es nicht widergeben«, sagte Tsukuru.
    Sie saßen an einem kleinen Bartisch.
    »Konntest du danach noch mal mit ihm oder einem von den anderen sprechen?«, fragte Sara.
    Tsukuru schüttelte den Kopf. »Nein.«
    Sara blickte ihm forschend ins Gesicht. Als bemühe sie sich, etwas zu erkunden, das nicht den Gesetzen der Vernunft entsprach.
    »Mit gar keinem?«
    »Ich habe keinen von ihnen je wiedergesehen.«
    »Aber wolltest du denn nicht wissen, warum sie dich so plötzlich aus der Gruppe ausgestoßen haben?«
    »Tja, wie soll ich sagen, damals war mir alles ziemlich egal. Sie haben mir die Tür vor der Nase zugeschlagen, und ich durfte nicht mehr rein. Den Grund dafür haben sie mir nicht gesagt. Was konnte ich schon tun, wenn sie es alle so wollten?«
    »Das verstehe ich nicht«, sagte Sara, und man sah es ihr an. »Es kann doch ein Missverständnis gewesen sein. Womöglich hättest du es sogar aufklären können. Hast du das nicht bedauert? Deine besten Freunde zu verlieren, vielleicht wegen irgendeiner Lappalie?«
    Sie hatte ihren Mojito ausgetrunken. Sie gab dem Bartender ein Zeichen, ließ sich die Weinkarte geben und bestellte einen Cabernet Sauvignon aus dem Napa Valley. Tsukuru hatte seinen Highball erst zur Hälfte geleert. Das Eis war geschmolzen, das Glas beschlagen und der Deckel nass und aufgequollen.
    »Zum ersten Mal in meinem Leben verweigerte jemand so radikal den Umgang mit mir«, sagte Tsukuru. »Noch dazu meine vier besten Freunde, denen ich mehr vertraute als jedem anderen und die mir so nah waren, als wären sie ein Teil von mir. Mein Schock war so groß, dass ich mich kaum auf den Beinen halten konnte. Ich war völlig außerstande, der Ursache oder einem möglichen Missverständnis nachzugehen. Es war, als

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