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Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki

Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki

Titel: Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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Ausgangspunkt.«
    Aka nickte. »Genau. Es ist nicht schwer zu visualisieren, was man nicht machen will und was nicht mit einem gemacht werden soll. Genauso wenig wie sich vorzustellen, was man machen will. Das eine ist negativ, das andere positiv, das ist der einzige Unterschied. Es ist nicht mehr als eine Frage der Perspektive.«
    Aos Worte kamen Tsukuru in den Sinn: Was er macht, gefällt mir überhaupt nicht.
    »Aber vielleicht kommt dabei auch deine persönliche Rache an der Gesellschaft ins Spiel. Die Rache des outcasts mit elitären Neigungen?«
    »Kann schon sein«, sagte Aka. Er lächelte liebenswürdig und schnippte mit den Fingern. »Volltreffer. Ein Punkt für dich, Tsukuru Tazaki.«
    »Leitest du deine Kurse selbst? Stehst du vor den Teilnehmern und sprichst?«
    »Nur am Anfang habe ich alles selbst gemacht, denn ich war der Einzige, auf den ich mich verlassen konnte. Kannst du dir vorstellen, wie ich so was mache?«
    »Überhaupt nicht«, sagte Tsukuru ehrlich.
    Aka lachte. »Ich war gut darin. Ich sollte das vielleicht nicht selbst sagen, aber ich war richtig in meinem Element. Natürlich habe ich Theater gespielt, aber ich war überzeugend. Jetzt mache ich es selbstverständlich nicht mehr. Ich habe nicht die geeignete Statur für einen Guru. Immerhin bin ich auch der Direktor und habe viele Aufgaben. Mittlerweile bilde ich Kursleiter aus und überlasse ihnen die praktische Arbeit. Im Augenblick bin ich eher mit den vielen Vorträgen beschäftigt, die ich halten muss. Ich werde zu Firmenkonferenzen eingeladen und spreche bei Einstellungsseminaren an Universitäten. Außerdem bin ich dabei, im Auftrag eines Verlags ein Buch zu schreiben.«
    Aka unterbrach sich für einen Moment und drückte seine Zigarette im Aschenbecher aus.
    »Wenn man sich das Know-how einmal angeeignet hat, geht alles wie von selbst. Man gibt eine Hochglanzbroschüre heraus, macht groß Reklame und eröffnet ein schickes Büro in bester Lage. Man richtet es geschmackvoll ein, zahlt hohe Gehälter und stellt kompetente Leute ein, die etwas hermachen. Das Image ist sehr wichtig. Da darf man nicht geizig sein. Dann kommt die Mundpropaganda. Hat man einmal einen guten Ruf, läuft alles wie von selbst. Aber im Moment habe ich nicht vor zu expandieren. Ich werde mich auf die Unternehmen im Umkreis von Nagoya beschränken. Wenn ich den Umfang nicht im Blick habe, kann ich keine Verantwortung mehr für die Qualität übernehmen.«
    An dieser Stelle sah Aka Tsukuru forschend in die Augen.
    »Du interessierst dich wohl nicht besonders für meine Arbeit?«
    »Ich wundere mich nur. Früher hätte ich mir nie vorstellen können, dass du mal in so eine Branche einsteigst.«
    »Das hätte ich mir selbst nicht vorstellen können«, sagte Aka und lachte. »Ich dachte, ich bleibe an der Uni und werde Professor oder so. Aber während des Studiums ist mir klar geworden, dass ich nicht zum Gelehrten tauge. Was für eine langweilige, grenzenlos öde Welt. Dort wollte ich nicht mein Leben beschließen. Als ich die Uni verließ und Angestellter wurde, merkte ich, dass ich auch dazu nicht geeignet war. Trial and error . Nun ja, ich habe überlebt und meinen Platz gefunden. Und was ist mit dir? Bist du mit deinem Beruf zufrieden?«
    »Direkt zufrieden kann ich nicht sagen, aber auch nicht unzufrieden«, antwortete Tsukuru.
    »Weil dein Beruf etwas mit Bahnhöfen zu tun hat?«
    »Ja, er ist auf der positiven Seite, um es mit deinen Worten zu sagen.«
    »Hegst du Zweifel an deiner Arbeit?«
    »Ich mache das, was tagtäglich anfällt. Für Zweifel habe ich keine Zeit.«
    Aka lächelte. »Fabelhaft. Das passt zu dir.«
    Schweigen breitete sich aus. Aka drehte sein goldenes Feuerzeug langsam zwischen den Fingern, zündete sich aber keine Zigarette an. Vielleicht rauchte er nur eine festgesetzte Menge am Tag.
    »Du bist gekommen, um über etwas mit mir zu sprechen?«, fragte Aka.
    »Eine alte Geschichte«, sagte Tsukuru.
    »Gut, lass uns über alte Geschichten reden.«
    »Es geht um Shiro.«
    Akas Augen hinter der Brille verengten sich, und er griff sich an den Bart. Wahrscheinlich hatte er dieses Thema erwartet, seit die Sekretärin ihm Tsukurus Visitenkarte gegeben hatte.
    Tsukuru schwieg.
    »Shiro tut mir sehr leid«, sagte Aka mit leiser Stimme. »Sie hatte überhaupt kein schönes Leben. Sie war so hübsch und hatte so viel musikalisches Talent, und doch musste sie eines furchtbaren Todes sterben.«
    Tsukuru konnte sich eines gewissen Widerwillens nicht

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