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Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki

Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki

Titel: Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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Arbeit.«
    »Immerhin hast du einen Beruf ergriffen, der mit Bahnhöfen zu tun hat.«
    »Das stimmt.«
    »Bist du verheiratet?«
    »Nein, noch ledig.«
    Aka schlug die Beine übereinander und bürstete mit der Hand einen Fussel vom Saum seiner Chinos. »Ich habe mit siebenundzwanzig geheiratet. Aber nach anderthalb Jahren haben wir uns scheiden lassen. Seither bin ich allein. Es ist bequemer, Single zu sein. Man verschwendet sonst zu viel Zeit. Meinst du nicht auch?«
    »Nein, eigentlich nicht. Ich würde heiraten, denn ich habe eher zu viel Zeit. Man muss nur jemanden finden, mit dem man sich das vorstellen kann.«
    Tsukuru dachte an Sara. Mit ihr hätte er sich das vielleicht vorstellen können. Aber er kannte sie ja noch kaum. Und sie ihn auch nicht. Sie mussten noch viel Zeit miteinander verbringen.
    »Deine Firma scheint gut zu gedeihen«, sagte Tsukuru und blickte sich in dem hübschen Büro um.
    In ihrer Jugend hatten Ao, Aka und Tsukuru immer in einem gewissen kumpelhaften Ton miteinander geredet. Jetzt merkte er, dass diese freundschaftliche Ruppigkeit ihm fremd geworden war. Die anderen beiden mochten ihn noch verwenden, aber ihm selbst kam er nicht mehr so einfach über die Lippen. Er klang schlicht nicht mehr natürlich für ihn.
    »Ja, im Augenblick läuft es sehr gut«, sagte Aka und räusperte sich. »Bist du mit dem Inhalt meiner Arbeit vertraut?«
    »Einigermaßen. Zumindest, wenn das stimmt, was im Internet steht.«
    Aka lachte. »Das ist nicht gelogen. Es stimmt alles. Aber das Wichtigste steht natürlich nicht dort. Das ist nur hier drin.« Aka tippte sich mit dem Finger an die Schläfe. »Wie bei einem Koch. Die entscheidende Zutat gibt er nicht preis.«
    »Deine Zielgruppe sind Unternehmen, für die du Personalschulungen durchführst. Das ist das Hauptarbeitsgebiet deiner Firma, soweit ich verstanden habe.«
    »Genau. Wir veranstalten Einführungskurse für den Nachwuchs und bilden Angestellte auf der mittleren Ebene fort. Unsere Dienstleistung besteht darin, dass wir ein speziell auf die Bedürfnisse des Klienten zugeschnittenes Programm entwerfen und es effektiv und professionell umsetzen. Die Unternehmen sparen damit viel Zeit und Mühe.«
    »Das heißt, die Fortbildung der Angestellten wird outgesourcet.«
    »Genau. Alles hat mit einer zündenden Idee von mir angefangen. Es war wirklich wie im Comic – eine helle Glühbirne erscheint bei jemandem über dem Kopf. So war es bei mir. Das Kapital hat mir der Chef eines Kreditunternehmens, mit dem ich bekannt bin, vorgeschossen. Ich hatte das Glück, seine Unterstützung zu gewinnen.«
    »Und wie bist du auf diese Idee gekommen?«
    Aka lachte. »Das war keine große Geschichte. Nach der Uni hatte ich bei einer großen Bank angefangen. Es war sterbenslangweilig. Meine Vorgesetzten waren unfähig bis dorthinaus. Sie dachten nicht weiter als bis zu ihrer Nasenspitze und waren so mit ihren eigenen Interessen beschäftigt, dass sie nicht nach vorn schauen konnten. Wenn eine der größten Banken unseres Landes in diesem Zustand war, sah ich schwarz für Japans Zukunft. Drei Jahre lang zwang ich mich, weiterzumachen, aber es wurde einfach nicht besser. Eigentlich eher schlechter. Also wechselte ich zu einem Kreditunternehmen. Der Chef war sehr angetan von mir und hatte mir den Job angeboten. Dort konnte ich selbstständiger arbeiten als in der Bank, und mein Aufgabengebiet war nicht uninteressant. Aber auch dort hatte ich keine große Meinung von meinen Vorgesetzten, und nach zwei Jahren entschuldigte ich mich bei meinem Chef und kündigte.« Aka nahm ein Päckchen rote Marlboro aus seiner Tasche. »Stört es dich, wenn ich rauche?«
    Selbstverständlich störte es Tsukuru nicht. Aka steckte sich eine Zigarette zwischen die Lippen und zündete sie mit einem kleinen Goldfeuerzeug an. Langsam und mit zusammengekniffenen Augen nahm er einen Zug. »Ich müsste aufhören. Aber ich schaffe es nicht. Wenn ich nicht rauche, kann ich nicht arbeiten. Hast du schon mal aufgehört zu rauchen?«
    Tsukuru hatte noch nie in seinem Leben eine Zigarette geraucht.
    »Allem Anschein nach eigne ich mich nicht zum Angestellten«, fuhr Aka fort. »Man merkt so was ja nicht sofort. Bis ich von der Uni kam und eine Stelle fand, hatte ich keine Ahnung, dass ich diesen Charakter habe. Aber es ist tatsächlich so. Sobald ich von irgendwelchen Typen sinnlose Anweisungen bekomme, macht es bei mir klick, und ich kriege einen Wutausbruch. Solche Menschen können keine Angestellten

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