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Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki

Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki

Titel: Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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mich ausgesucht? Warum musste ich es sein?«
    »Das weiß ich auch nicht«, sagte Aka. »Vielleicht war sie heimlich in dich verliebt. Vielleicht war sie enttäuscht und zornig, dass du allein nach Tokio gegangen warst. Oder sie war eifersüchtig auf dich. Weil sie sich selbst gern von dieser Stadt befreit hätte. Wir werden die Wahrheit nie erfahren. Falls es überhaupt eine gibt.« Aka drehte noch immer das goldene Feuerzeug in seinen Händen.
    »Eines interessiert mich noch. Du bist nach Tokio gegangen, und wir anderen vier sind in Nagoya geblieben. Dagegen will ich gar nichts sagen. Aber du hattest ein neues Leben in einer neuen Stadt. Wir hingegen mussten weiter im Schoße unseres vertrauten Nagoya leben. Verstehst du, was ich sagen will?«
    »Du meinst, ich habe mich praktisch selbst mehr zum Außenseiter gemacht, als Shiro es getan hat?«
    Statt einer Antwort stieß Aka einen langen, verhaltenen Seufzer aus. »Im Nachhinein betrachtet warst du von uns fünfen wahrscheinlich der Belastbarste, was man bei deinem sanften Äußeren gar nicht erwartet hätte. Wir, die blieben, hatten einfach nicht den Mut zum Aufbruch. Wir hatten Angst vor dem, was kommen würde, wenn wir die Stadt, in der wir aufgewachsen waren, verlassen und uns von unseren Freunden trennen würden. Wir konnten diese behagliche Wärme nicht verlassen. Wie wenn man an einem frostigen Wintermorgen nicht aus dem warmen Futon kommt. Man findet alle möglichen plausiblen Ausreden, das weiß ich jetzt.«
    »Aber du bereust es doch nicht, hiergeblieben zu sein?«
    »Nein, eigentlich nicht. Es hat viele praktische Vorteile, geblieben zu sein, und ich habe ganz schön davon profitiert. Beziehungen sind hier alles, und der lokale Zusammenhalt ist stark. Zum Beispiel hatte der Chef von der Kreditanstalt, der mir geholfen hat, einen Artikel über unser ehrenamtliches Projekt in der Zeitung gelesen. Dadurch hat er von Anfang an an mich geglaubt. Es war gar nicht meine Absicht, einen persönlichen Vorteil aus unserer damaligen Arbeit zu ziehen. Aber im Endeffekt hat es sich so ergeben. Oder gar nicht wenige meiner Klienten haben bei meinem Vater studiert. Und die Professoren der Universität Nagoya sind hier so was wie ein Markenzeichen. In der Geschäftswelt von Nagoya gibt es diese eng verknüpften Seilschaften. Aber all das gilt natürlich nicht, wenn man nach Tokio geht. Dort gibt sich keiner mit dir ab. Was meinst du?«
    Tsukuru schwieg.
    »Wir vier sind also aus praktischen Gründen hiergeblieben. Haben den Sprung ins kalte Wasser nicht gewagt. Und dennoch sind auf einmal nur noch Ao und ich hier. Shiro ist gestorben, Kuro hat geheiratet und ist nach Finnland gezogen. Aber Ao und ich sehen uns nicht mehr, obwohl wir fast aufeinander sitzen. Und warum? Weil wir uns nichts mehr zu sagen haben.«
    »Du könntest einen Lexus kaufen. Dann hättet ihr ein Gesprächsthema.«
    Aka kniff ein Auge zu. »Ich fahre jetzt einen Porsche Carrera 4. Mit Targadach. Das Sechsganggetriebe schaltet sich wie Butter. Besonders beim Herunterschalten fühlt es sich superb an. Hast du schon mal einen gefahren?«
    Tsukuru schüttelte den Kopf.
    »Ich bin begeistert davon. Ich habe nicht vor zu wechseln«, sagte Aka.
    »Aber könntest du nicht noch einen Wagen für die Firma kaufen? Zumindest könntest du ihn absetzen.«
    »Einige unserer Klienten sind an Nissan gebunden, andere an Mitsubishi. Es ist niemand dabei, der Firmenwagen von Lexus benutzt.«
    Es herrschte ein kurzes Schweigen.
    »Warst du auf Shiros Beerdigung?«, fragte Tsukuru.
    »Ja, war ich. Eine so traurige Feier habe ich kein zweites Mal erlebt, weder davor noch später. Wirklich. Es zerreißt mir jetzt noch das Herz, wenn ich daran denke. Ao war auch dort. Kuro nicht. Sie war damals schon in Finnland und konnte nicht kommen, weil sie hochschwanger war.«
    »Warum habt ihr mir nie gesagt, dass Shiro gestorben ist?«
    Aka sah Tsukuru abwesend ins Gesicht und schwieg. Sein Blick wirkte unstet. »Ich weiß es nicht«, sagte er dann. »Ich dachte, irgendjemand hätte es dir bestimmt gesagt. Ao oder so.«
    »Nein, hat er nicht. Bis vor einer Woche wusste ich nicht, dass sie tot ist.«
    Aka zuckte mit den Schultern. Er wandte sich ab und schaute aus dem Fenster. »Das tut mir sehr leid. Es ist keine Entschuldigung, aber wir waren sehr verstört. Wir verstanden die Welt nicht mehr. Wir haben natürlich angenommen, dir würde irgendwie zu Ohren kommen, dass Shiro ermordet wurde. Und als du nicht zur Beerdigung kamst,

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