Die Plantage: Roman (German Edition)
Crossbow! »Schon erstaunlich, dass Reed gerade die aufsässigen Voodoo-Leute bevorzugt. Findest du nicht, Charlene?«
»Gleich und gleich gesellt sich gern. Sie bleiben unter sich, halten sich von anderen Schwarzen fern. Es scheint Mr. Reed nur recht zu sein, dass seine Sklaven ebenso abgesondert leben wie er selbst. Im Übrigen kümmert es ihn nicht, was sie nachts am Ashley River treiben.«
»Was weißt du davon?«
»Joshua hat mir von den Freitagsmessen erzählt. Was dort geschieht, ist unheimlich, und es ist nicht recht.«
»Joshua geht zu Voodoo-Messen?«
»Er folgt Rovena in allem, was sie tut. Sie hat große Macht über ihn.«
»Aber er gab mir sein Wort, dass sie den Voodoo-Kult nicht nach Legacy bringt!«
Die Verhältnisse hatten sich geändert. Nachdem Joshua das Geld aufgebracht hatte, um Rovena freizukaufen, wurde sie von Shaughnessey in die Freiheit entlassen. Der Pfarrer der schwarzen Baptistengemeinde traute Joshua und Rovena. Ein paar Tage nach der Trauung berichtete Charlene mit finsterer Miene von einer weiteren, nächtlichen Zeremonie, an der auch einige Bewohner von Legacy teilgenommen hätten.
Antonia, die Joshuas gesundem Menschenverstand vertraute, hatte ihn bislang gewähren lassen. Nun begann sie, sich Sorgen zu machen.
»Er hat sich verändert«, sagte sie nachdenklich. »Ich vermisse sein freies, dröhnendes Lachen. Meinst du, dass er glücklich ist?«
»Joshua hat viel erreicht, aber er trägt auch eine große Verantwortung. Als Verwalter wird er von den Leuten respektiert; was er sagt, wird gemacht. Oh, ich bilde mir mächtig was ein auf meinen Jungen!« Charlene lächelte, wurde aber gleich wieder ernst. »Ich fürchte Rovenas Einfluss. Sie ist ehrgeizig und schürt seinen Stolz. Für einen Schwarzen ist es gefährlich, den Kopf zu hoch zu tragen, selbst wenn er frei ist.«
Antonia gab ihr im Stillen recht. Schweigend beendeten sie das Abendessen.
Von Legacy zum Ashley River war man zu Pferd bei sportlichem Tempo eine Stunde unterwegs. Antonia hatte für die Strecke den Vormittag eingeplant, was sie nicht übermäßig anstrengen sollte. Als sie morgens mit Noah Lytton losritt, war sie im Hochgefühl einer lang vermissten Freiheit ihremBegleiter bald davongaloppiert. Auf seinem braven Handpferd trabte Noah gemächlich hinterher, sodass sie an jeder Wegkreuzung auf ihn warten musste. Vom Snakewater Creek nahmen sie einen Pfad in südwestlicher Richtung nach Whittley, zur Plantage der Raleighs am Goose Creek. Dort gönnten sie den Pferden eine Ruhepause, während Antonia ihre Tante Helena Raleigh besuchte.
Als Antonia weiterreiten wollte, fragte Mrs. Raleigh: »Wo soll es denn hingehen?«
»Nach Charles Town, zu meiner Schwester Lydia.«
»Aber Kindchen, da unternimmst du so einen beschwerlichen Ritt?« Die alte Dame schüttelte missbilligend den Kopf. »Lyddie hätte dir doch ihren Wagen schicken können!«
»Keine Sorge, Tante Helena, früher mit Henry habe ich viel weitere Reitausflüge unternommen.« Reeds Einladung erwähnte sie nicht, als sie sich von ihrer Tante verabschiedete.
Von Whittley waren es noch knappe sechs Meilen bis Hollow Park. Es begann, heißer zu werden. Sie ließen die Pferde im Schritt gehen und kamen gemächlich vom Goose Creek durch lichte Zypressenwälder ins Schwemmland des Ashley River. Zwei Silberreiher flogen auf und glitten über den Fluss und die zahllosen Seitenarme und Staubecken dahin, die längs der Ufer in der Sonne glitzerten. Antonia beobachtete den Flug der großen Vögel und drehte sich im Sattel herum, um ihnen nachzublicken. Plötzlich durchfuhr sie ein tiefer, dunkler Schmerz. Sie hielt Grace sofort an, doch schon ließ ein noch stärkerer Schmerz sie aufschreien. Sie krümmte sich vornüber, fasste in Graces Mähne, um sich im Sattel zu halten, während der Schmerz langsam verebbte. Noah fragte besorgt, was passiert sei. Sie richtete sich vorsichtig auf, zuckte ratlos die Schultern. Als sie nach geraumer Zeit nichts mehr spürte, beschloss sie, den Weg fortzusetzen.
In den Flussniederungen ritten sie auf Dämmen zwischen ausgedehnten Reisfeldern dahin, die sich, von Reisbänken undBewässerungskanälen unterteilt, so weit das Auge reichte aneinanderreihten. Bisweilen führte sie der Weg durch niedrige Gehölze, dann an üppig aufgeschossenen Anpflanzungen vorbei. Nachdem sie schon eine halbe Stunde durch gut gepflegte Besitzungen ritten, kam Antonia erst zu Bewusstsein, dass dies alles Reeds Land war. Mit fast 25.000 Acres
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