Die Plantage: Roman (German Edition)
brachte er einen italienischen Architekten mit, der nach Bauplänen Palladios auf Hollow Park ein neues Haus im klassischen Stil erbaute. Nachdem Morrell das Herrenhaus bezogen hatte, beredete ihn der Italiener, noch zwei weitere Häuser zu bauen. Morrell in seinem Größenwahn ließ dem Architekten freie Hand, Palladios Pläne detailgetreu umzusetzen bis hin zu der symmetrischen Vorgabe, die Häuser exakt vierzehn Meilen voneinander entfernt an die Eckpunkte eines gleichseitigen Dreiecks zu positionieren. Geld spielte keine Rolle. Mit großem Aufwand wurde Material herbeigeschafft und mit dem Bau der Herrenhäuser von Barton Blure und Highwood, Ihres heutigen Legacy, begonnen. Der italienische Baumeister war jedoch von einem formalen Perfektionismus besessen, der die Fertigstellung der Bauten unmöglich machte. Die beiden Häuser blieben lange unvollendet. Dann kam ein schlimmes Jahr, auf eine Moskitoplage folgte eine Fieberepidemie, an der viele Siedler starben. Als Morrell wochenlang nicht nach HollowPark zurückkehrte, machten seine Diener sich auf die Suche. Sie fanden seine Leiche in Barton Blure, die Alligatoren hatten ihn halb aufgefressen. Den Italiener sah man nie wieder.«
Antonia rührte nachdenklich in ihrem Kaffee. »Wirklich eine seltsame Geschichte. Frank Shaughnessey hat von dem Baumeister und Morrells bizarrem Ende gar nichts erzählt.«
»Verraten Sie ihm lieber nichts von den Alligatoren«, meinte Reed, »sonst hält mich Mr. Shaughnessey am Ende für einen Aufschneider!«
Sie lachten, und er schien zufrieden, dass er sie wieder aufgeheitert hatte. »Habe ich Ihnen erzählt, dass die Galopper eingetroffen sind?« Er hatte zwei englische Vollblüter erworben, die speziell für den Einsatz in Rennen über kurze Distanzen gezüchtet wurden. Schon öfter hatte er ihr von diesen schnellen Rennen erzählt, die in Großbritannien den Turfs den Rang abliefen und sich auch im amerikanischen Rennsport etablierten. »Die Tiere müssen sich noch eingewöhnen, aber man erkennt schon ihr Temperament, sie beweisen große Sprintfreudigkeit in der Bahn. Kommen Sie, ich möchte sie Ihnen zeigen.«
Als sie aufstanden, fühlte Antonia einen Anflug von Müdigkeit. Doch sie dachte, ein paar Schritte an der frischen Luft würden ihr guttun.
»Wir gehen durch den Garten«, sagte Reed. »Von hier oben können Sie auch die Rasenterrassen sehen, später wollen wir sie uns … Aber was haben Sie denn?«
Antonia war mit einem unterdrückten Aufschrei zusammengefahren. Ein tiefer, heftiger Schmerz hatte, wie schon auf dem Hinweg, ihren Leib zusammengezogen. Sie wollte weitergehen, da überfielen sie so schwere krampfartige Schmerzen, dass sie fast in die Knie ging. Vorsichtig ein- und ausatmend, stand sie mit einem Ausdruck ungläubigen Entsetzens, hoffend, dass das, was wie Krallen ihren Unterleib griff, sie wieder freigäbe.
Reed war bei ihr und beobachtete sie aufmerksam. »Siehaben irrsinnige Schmerzen, das sehe ich Ihnen an«, sagte er mit sanfter Stimme. »Arme Antonia, was bereitet Ihnen solche Pein? Sagen Sie es mir.«
Als sie aufsah, begegnete sie seinem gänzlich mitleidlosen Blick. Er studierte ihr gequältes Gesicht, als wäre er von so viel Leid fasziniert; anders ließ sich sein hingerissenes Starren nicht beschreiben.
Sie schrie auf, weil ein neuer, unerträglicher Schmerz sie schier zu zerreißen schien. Halt suchend griff sie nach Reeds Arm. »Was ist das nur?«, stieß sie hervor. »Bitte, Algernon, ich … aaah!«
Er fing sie auf, trug sie in den Salon und legte sie in die Kissen einer Polsterbank. Sie krümmte sich gegen den reißenden Schmerz in ihrer Mitte, atmete heftig und zu schnell. Reed, von ihrem Aufschrei in die Wirklichkeit zurückgebracht, kniete vor ihr und hielt ihre verkrampften Hände. »Antonia, sagen Sie mir, ist unterwegs etwas passiert, sind Sie gestürzt? Was kann das denn sein? Antonia, sprechen Sie mit mir!«
»Ich weiß nicht … es tut so weh!«
Sie schloss die Augen, zog wimmernd die Knie an. Reed rief laut nach seinen Dienern, gab kurze Befehle; jemand aus dem Sklavendorf solle geholt werden. Er hielt alle zu äußerster Eile an. Dann redete er Antonia beruhigend zu. »Es gibt hier eine Frau, die sich um die Kranken kümmert, sie wird gleich hier sein. Ich möchte Sie lieber nach oben bringen, Sie sollten sich hinlegen, in Ordnung?«
Antonia krümmte sich unter entsetzlichen Schmerzen, die jetzt nicht mehr aufhörten. Es war ihr alles egal, sollte er sie doch nach oben
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