Die Plantage: Roman (German Edition)
geehrt, Sir«, sagte er. »Darf ich fragen, was aus der fatalen Wette geworden ist? Haben Sie die tausend Acres von Mr. Adams bekommen?«
»Mein Herr, Sie sind der Erste, der mich danach fragt!«, lachte Longuinius.
»Was für eine Wette?«, fragte Antonia.
»Damals, im Überschwang der Freude über die Proklamation«, erzählte Longuinius, »hatte ich im Kongress mit John Adams um tausend Acres besten Farmlandes gewettet, dass Amerika den Krieg gegen England gewinnt. Die englischen Besatzer bekamen Wind davon, und natürlich sahen sie darineine weitere Provokation. Dabei war es in jenen Tagen mehr als ungewiss, ob wir am Ende die Unabhängigkeit erlangen würden. Unsere Wette widersprach also jedem Sinn für Realität.«
»Nicht was Sie betrifft, Sir!«, wandte William ein. »Sehen Sie, hätte Amerika beim Einmarsch der englischen Truppen gleich die Waffen gestreckt, wären Sie und Mr. Adams als Verräter gehenkt worden. In diesem Falle hätte Mr. Adams zwar die Wette gewonnen, die tausend Acres aber nie bekommen. Sie dagegen konnten nur gewinnen, was durchaus Realitätssinn beweist.«
Williams drastische Schlussfolgerung verschlug allen für einen Moment die Sprache, nur Longuinius bemerkte gut gelaunt: »Bravo! So spricht ein Tory. Ich schätze Männer, die kein Blatt vor den Mund nehmen. Ob Freund oder Feind, ich weiß gern, woran ich bin.«
Beim Podium drängten sich immer mehr Leute, um sich in die Stimmliste einzutragen. Antonia ging mit Shaughnessey zur Saalmitte, Longuinius und William folgten ihnen.
»Da Sie nicht aus unserer Gegend stammen, Mr. Marshall«, sagte Longuinius mit wissendem Lächeln, »wie kamen Sie hierher?«
»Mein Regiment wurde ’79 nach South Carolina verlegt. Ich habe die Spähtrupps der Berittenen Infanterie befehligt.«
»Riskante Kommandos!«, meinte Longuinius und wies auf Williams Stock. »Darf man fragen …«
»Nein, Sir, lieber nicht.«
Longuinius nickte und legte begütigend eine Hand auf seinen Arm. »Der Krieg ist vorbei, Colonel, und Sie sollten auch versuchen, Ihren Frieden zu machen. Lassen Sie sich nicht von Rachegedanken beherrschen!« Weil er Williams Widerstreben spürte, setzte er hinzu: »Ich würde mich gern in Ruhe mit Ihnen unterhalten. Vielleicht machen Sie mir die Freude und kommen mich in meinem Haus auf Serenity Heights besuchen? Ich hätte einen vorzüglichen alten Brandy anzubieten.«
»Sehr freundlich, Sir.«
»Oh, es ist das Mindeste, um mich erkenntlich zu zeigen.«
»Erkenntlich? Wofür?«
Longuinius lächelte. »Nun, dass ich noch am Leben bin.«
Im Saal entstand Bewegung, Hocksley war in Begleitung zweier Männer zum Podium gekommen. Antonia kannte den vierschrötigen Mann zu seiner Rechten: Elijah Crossbow, Hocksleys Teilhaber an seiner karibischen Zuckerplantage Beau Séjour. Der andere war James Fowler, Hocksleys Financier, der im Planters Club die Interessen der Trader’s Bank vertrat. Hocksley überging Antonia grußlos, trat ans Rednerpult und eröffnete nach kurzer Begrüßung die Beratung mit den drei obligatorischen Hammerschlägen.
Obwohl es genügend Stühle gab, blieben die Leute stehen und bildeten kleine Gruppen entsprechend ihrer politischen oder nachbarlichen Interessen. Aus gegebenem Anlass stand zu Beginn ein unliebsames Thema auf der Tagesordnung: Während die Besatzungsmacht in Charles Town täglich an Boden verlor, wollte es den Patrioten dennoch nicht gelingen, die Versorgung der Briten aus dem Umland zu verhindern. Man wusste von Loyalistenplantagen, die die besetzte Stadt wöchentlich mit Lebensmittelpaketen belieferten. Über den Ashley River gelangten regelmäßig ganze Bootsladungen an Schlachtvieh, Geflügel und Reis in den Hafen von Charles Town.
Keiner der anwesenden Pflanzer hätte es gewagt, die Militärverwaltung ihrer Hauptstadt offen zu kritisieren. Doch die Erfahrungen der letzten Monate hatten gezeigt, dass Charles Town ihnen nur als freier Handelsplatz gute Profite einbrachte. Wer also die Besatzer unterstützte, indem er den Nachschub für die truppenstarke britische Stadtgarnison lieferte und ihnen dadurch ermöglichte, die Stadt zu halten, schadete den wirtschaftlichen Interessen aller. Um allzu königstreue Landbesitzer des Lowcountry zur Räson zu bringen, drohte der Planters Club nun Sanktionen an.
»Wir werden jeden aus der Handelsvereinigung ausschließen, der mit den Briten kollaboriert«, verkündete Hocksley den Beschluss.
»Was ist mein Schwager nur für ein Heuchler!«, flüsterte
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