Die Plantage: Roman (German Edition)
der Stadt. Erfolgreiche Einwanderer hatten den Club Anfang des achtzehnten Jahrhunderts nach britischem Vorbild gegründet. Das Versammlungshaus, ein nüchternes Gebäude ohne Säulen oder sonstigen äußeren Zierrat, verfügte über großzügig geschnittene Gesellschaftsräume und ein gediegenes Restaurant. Um dem wachsenden Wohlstand der Mitglieder Rechnung zu tragen, war die Ausstattung mit der Zeit repräsentativer, um nicht zu sagen opulent, geworden. Pflanzer aus der Gegend trafen sich hier zum Lunch oder zum Dinner. Man sagte, im Rauchsalon des Planters Club habe sich das Schicksal so mancher carolinischer Pflanzerdynastie entschieden.
Den britischen Besatzern war die mächtige Pflanzerlobby ein Dorn im Auge, nachdem sich die meisten der Mitglieder nach der Einnahme Charles Towns geweigert hatten, England den Treueid zu leisten, und sich aufgrund ihres Reichtums vom strengen Besatzungsreglement freikauften. Erst als der Stadtkommandant zu drastischeren Maßnahmen griff und einige der einflussreichsten Bürger nach St. Augustine im britischen East Florida deportieren ließ, wurde auch den begüterten Charlestownern klar, dass man sich besser mit der Besatzungsmacht arrangierte.
Wer weiterhin seinen Geschäften nachgehen wollte, schwornolens volens den Eid auf die Krone. Die Leute hielten sich bedeckt oder zeigten zumindest Wohlverhalten, wenn die Engländer in ihren Häusern Quartier nahmen und sich eigenmächtig aus Küche und Keller bedienten. Vor allem galt es, bei den anmaßenden Militärs keinen Anstoß zu erregen, wollte man sich nicht mannigfachen Repressalien aussetzen oder gar im Gefängnis landen. Auch der Planters Club riet seinen Mitgliedern zu Opportunismus. So konnte er während der Besatzung seine wirtschaftlichen Interessen wahren und beim Handel mit Reis, Indigo und Baumwolle sowie auf dem amerikanischen Sklavenmarkt seinen Einfluss geltend machen.
Aus gutem Grund hatte Shaughnessey Antonia geraten, an einer offiziellen Versammlung des Planters Club teilzunehmen, um ihr Anliegen vorzubringen: Es würden viele Mitglieder kommen, die dem Club schon vor Hocksleys Vorsitz angehört hatten. Unter Umständen konnte ihr Votum den Einfluss von Hocksleys Clique relativieren. So vertraute Antonia auf den Corpsgeist der alten Pflanzergemeinde Charles Towns. Sie vertraute ebenso auf die Präsenz ihres Verwalters, der ihren Auftritt flankierte, als sie jetzt den Versammlungssaal betrat.
Sie war die einzige Frau und wurde von Pflanzern und Händlern respektvoll gegrüßt. Sie war eine Bell, das zählte. Der hagere Mann im schwarzen Rock hingegen, der auf einen Stock gestützt einen halben Schritt hinter ihr blieb, rief fragende Blicke hervor. Am Podium des Chairman, wo sich alle stimmberechtigten Mitglieder in die Anwesenheitsliste eintrugen, notierte auch Antonia ihren Namen und ihre Legitimation: Antonia Bell Lorimer per Legacy, St. James’ Parish, Plains River .
Shaughnessey kam in Begleitung eines älteren Herrn in Perücke, altmodischem Gehrock, Kniebundhosen und Schnallenschuhen. Respektvoll traten die Umstehenden zur Seite, jedermann im Saal kannte den Kongressabgeordneten und Unterzeichner der Unabhängigkeitserklärung Julien Longuinius.Nach Kerkerhaft und Hausarrest hatten die Briten ihm schließlich unter strengen Auflagen gestattet, die Hauptstadt gelegentlich zu besuchen. Trotz seines Alters war er ungebeugt und verneigte sich mit Grazie.
»Antonia, mein Kind! Ich hatte so gehofft, Sie wiederzusehen. Wie sehr Sie meiner kleinen Adela gleichen!«
Adela Cosel, Antonias Mutter, war Longuinius’ Nichte gewesen. Als Adelas Eltern 1746 starben, reiste er nach Weimar und nahm die Waise mit nach Carolina. Er erzog sie zu einer jungen Intellektuellen voller Phantasie und Wissbegier. Über ihren frühen Tod war er nie hinweggekommen.
»Wie freue ich mich, Mr. Longuinius!« Antonia drückte herzlich seine Hand. »So lange ist es her! Als ich Sie das letzte Mal sah, reisten Sie mit Mr. Rutledge und Mr. Laurence nach Philadelphia, mit der Proklamation in Ihrem Gepäck. Sie waren unsere Helden!«
»Ach, Kind, die Helden kamen später. Wir hatten sie bitter nötig, als die Rotröcke unser Land mit diesem schrecklichen Krieg überzogen.« Er bemerkte, wie Antonia kurz zu William blickte, und fragte: »Kenne ich den Herrn in Ihrer Begleitung?«
»Oh, ich möchte Ihnen meinen Verwalter, Mr. Marshall, vorstellen.«
Longuinius neigte sein weißes Haupt.
William verbeugte sich. »Ich fühle mich
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