Die Plastikfresser
Angenommen, wir stellen Benzin her; angenommen, wir verkaufen Benzin. Und dann sprengt sich jemand damit in die Luft, – dann sind wir doch nicht für seinen Tod verantwortlich, nur weil wir es hergestellt haben, oder?«
»Das ist etwas ganz anderes«, sagte Gerrard. »Wir wußten von vornherein, daß wir eine Substanz herstellten, die sich unter dem Einfluß von Bakterien zersetzte, daß wir einen Naturvorgang nachahmten. Wir wußten …«
»Um Himmelswillen«, protestierte Wright. »Wir wußten doch nichts von diesem Organismus. Wir konnten uns doch unmöglich sagen: Nein, wir können diesen Prozeß nicht verantworten, denn es könnte ja einmal ein neues Bakterium auftreten, eine Mutation von vager Wahrscheinlichkeit und so weiter … Das ist doch ein völlig spekulativer Gedanke – Sie haben doch nicht den geringsten Beweis, welcher Art auch immer, und trotzdem erwarten Sie von uns, daß wir in Sack und Asche herumlaufen, uns an die Brust schlagen und mea culpa rufen! Ich will Ihnen mal was sagen: Ich habe den Eindruck, Sie wollen beschuldigt werden … Sie sind ein Opfer, das einen Grund sucht …«
Kendali fand den Ausbruch Wrights peinlich: »Meine Herren, ich glaube, wir sollten doch …«
Gerrard brachte ihn mit einer Handbewegung zum Schweigen: »Nun gut. Ich bade mich also in Schuldgefühlen. Na und? Sie wollen ja nicht einmal einen Finger rühren, um …«
»Beweisen Sie mir, daß ich etwas dagegen tun kann, und ich werde es tun«, sagte Wright.
»Ausgezeichnet. Erstens: wir haben einen Organismus, der Plastik frißt. Zweitens: wir haben ein Plastikmaterial, das zu einer proteinähnlichen Substanz zerfallt, sobald es Licht und Luft ausgesetzt wird. Nun lassen wir einmal außer acht, woher das Biest gekommen ist. Aber wir wissen, daß diese beiden Faktoren miteinander …«
»Wir wissen überhaupt nichts«, erwiderte Wright. »Sie tappen hier völlig im Dunkeln, mein Lieber. Es gibt keine Beweise!«
»Macht nichts«, fuhr Gerrard unbeirrt fort. »Aber wenn diese beiden Faktoren zusammenwirken – warum nutzen wir das nicht aus?«
»Ich kann da nicht ganz folgen«, warf Kendall ein.
Gerrard war sich seiner Sache nun sicher: »Ja. Das ist es. Wieso eigentlich nicht?« Er wandte sich an Wright: »Wie leicht ist es, die Struktur des Plastikmoleküls zu ändern?«
»Kommt darauf an, was Sie damit wollen«, sagte Wright mißtrauisch.
»Nichts Radikales«, erwiderte Gerrard. »Wie leicht wäre es – sagen wir einmal – eine der Amino-Gruppen auszutauschen?«
»Das ist eigentlich das leichteste«, sagte Wright. »Nur eine Sache der Hydrolyse, und dann …«
»Spielt keine Rolle, wie Sie es machen«, sagte Gerrard erregt. »Wenn es nur schnell geht.«
»Das habe ich doch gesagt«, erwiderte Wright unwirsch. »Aber ich verstehe nicht …«
»Würden sich auch Zyanid-Moleküle leicht einfügen lassen?«
»Ja, das geht tatsächlich. Ich habe es einmal bei meinen frühen Experimenten versucht. Hat aber offensichtlich zu nichts geführt. Das Zeug ist giftig wie die Hölle.«
»Genau das!« rief Gerard aus. »Giftig!«
Kendall sprang auf: »Ich verstehe! Man ändert die Konstruktion des Plastikmaterials, damit es …«
»… giftig wird!« Gerrard bebte vor Erregung. »Dann legt man es aus – wie Rattengift – und die Bakterien fressen es und gehen daran zugrunde.«
»Großer Gott!« rief Kendall. »Eine fabelhafte Idee. Ja, das gefällt mir. Allerdings würde das …«
»Aber wovon gehen Sie dabei aus? Sie haben doch nichts in der Hand. Reine Zeitverschwendung«, sagte Wright.
Gerrard ignorierte ihn: »Haben Sie noch den Versuchsapparat im Labor?«
Wright wollte schon wieder protestieren.
»Haben Sie ihn oder nicht?« fragte Gerrard unwirsch. Wright blickte zu dem Kanadier auf, der sich erhoben hatte. »Ja, der ist noch da. Sogar betriebsbereit. Scanion hat vorige Woche noch damit gearbeitet. Er versuchte …«
»Werden Sie ihn in Betrieb setzen?«
»Ja, das kann ich schon. Aber es ist reine Zeitverschwendung. Außerdem sehe ich nicht …«
»Tun Sie es nun oder nicht?« schrie Gerrard ihn an.
Wrights Blick drückte offen Feindschaft aus; dann, plötzlich, schlug er die Augen nieder.
»Ja«, sagte er tonlos. »Ja. Ich geh’ ja schon.«
* * *
Draußen, in der frostigen Winterluft, lag der Geruch von Ainslies Bazillus über den verödeten Straßen. Der Schnee fiel dicht, und die einzigen Geräusche, die man hörte, rührten von kleinen Armee-Trupps, die in voller
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