Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Plastikfresser

Die Plastikfresser

Titel: Die Plastikfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kit Pedler und Gerry Davis
Vom Netzwerk:
Lebensmittel auf, die sie gefunden hatten; sie machte kleine Häufchen aus den Biskuits und packte sie ein. Sie lächelte ihn an und zeigte auf ein Häufchen, das aus zwei Biskuits bestand: »Das ist Ihre Ration.«
    »So viel für mich?«
    »Keine Frechheiten«, sagte Anne. »Sonst nehme ich Sie Ihnen ab!«
    »Sie blühen auf in solchen Situationen, nicht wahr?« sagte Gerrard und lächelte zurück.
    »Ich erzähl’s ja nicht gern, aber ich war einmal bei den Pfadfinderinnen. Sie kennen das Motto: ›Allzeit bereit.‹ Das Dumme ist nur, ich war’s nie«, sagte Anne.
    Gerrard sah sich nach Purvis um. Purvis hatte sich die Jacke und das Hemd ausgezogen und stapfte vor dem Eingang zum Wetterloch auf und ab.
    »Ich fürchte, Tarzan leidet in seinem Käfig«, sagte Anne.
    »Wenn der Bursche nur endlich Ruhe geben würde«, sagte Gerrard leise. »Der Kerl braucht unseren ganzen Sauerstoff auf. Wie war’s, wollen wir uns ein wenig ausruhen?« Er klopfte sich aufs Knie. »Legen Sie sich ein wenig hin.«
    »Aber diesmal halte ich meine Beine in die andere Richtung«, sagte Anne lächelnd. Sie streckte sich neben ihm aus und bettete ihren Kopf in seinen Schoß. Er lehnte sich gegen die Wand, schloß die Augen und versuchte, sich zu entspannen.
    An Schlaf war nicht zu denken. Er blickte auf ihr langes braunes Haar hinunter, ihr schmales Gesicht auf seinem Schenkel, ihre zarte, olivenfarbene Haut, die hervorstehenden Backenknochen, ihre langen dunklen Wimpern. Sie war schön, von einer Schönheit, die er eigentlich immer gesucht hatte. Vor vielen Jahren hatte er ein Mädchen gekannt, das ihr entfernt ähnlich gesehen hatte … Aber was sollen die Vergleiche? Sie war mit Arnold Kramer verheiratet. Er schüttelte den Kopf, um wieder klare Gedanken fassen zu können, um sich auf die Katastrophe zu konzentrieren, die sich in ihrer unmittelbaren Nähe abgespielt haben mußte. Alle Verbindungen – Strom, Gas, Wasser und Verkehrswege – waren abgeschnitten.
    Er fragte sich, was von der Katastrophe wohl alles in Mitleidenschaft gezogen worden war. War die Plastikwelt überall zusammengebrochen – oder nur im Bereich von King’s Cross?
    Die Vorstellung von einem London, das wie gelähmt dalag, senkte sich wie eine lahmende Müdigkeit über ihn. Er wurde schläfrig, sein Kopf fiel ihm auf die Brust, und er sank in einen tiefen Schlaf.
     

9.
     
    Östlich der Edgeware Road verläuft die Kempton Street – eine Straße, die fast im Verkehr erstickt. Zu beiden Seiten der Fahrbahn bilden parkende Personen- und Lieferwagen eine würgende Einschnürung und erlauben dem fließenden Verkehr nur unter zahlreicher Behinderungen eine einzige schmale Spur.
    In der Straßenmitte bietet eine Verkehrsinsel Fußgängern, die nervösen, übelgelaunten Autofahrern ausweichen wollen, eine schmale Zuflucht. Auf der Insel befindet sich, leicht erhöht, ein Betonblock mit einem schwarzen, gußeisernen Schutzgitter. Hier hat ein Ventilationsschacht der ›Bakerloo-Line‹ seinen Ausgang. Normalerweise entleert sich hier mit einem stetigen, warmen Luftzug, der nach Teer und Desinfektionsmitteln riecht, die warme, abgestandene Luft aus den U-Bahn-Tunnels in die Oberwelt.
    Ungefähr zur gleichen Zeit, als der Bahnhof King’s Cross in die Luft flog, drängten sich in den Straßen die Verkehrsteilnehmer, die zu einer Bushaltestellte oder zu den Autos vor den Parkuhren strebten.
    In dem Schacht unter dem Schutzgitter quoll geräuschlos eine nach Fäulnis riechende Masse zur Oberfläche herauf. Von blasigem Schaum aufgetrieben, stieg die Masse langsam, aber stetig immer weiter nach oben, eine brodelnde, stinkende Flut von Lebewesen, die sich mit rasender Geschwindigkeit teilten, sich verdoppelten, aus zwei wurden vier, aus vier acht, denn allen diesen Wesen stand ein geradezu unerschöpfliches Reservoir an Nährstoffen zu Verfügung, und so erfüllten sie mit sanfter, archaischer Unerschütterlichkeit das einzige Gebot ihres Lebens – sich zu vermehren, sich auszudehnen und immer weiter zu vermehren.
    Schließlich war der zylindrische Schacht bis zum Schutzgitter aufgefüllt.
    Ein Passant betrat die Verkehrsinsel, zündete sich eine Zigarette an und warf das Streichholz achtlos weg. Es fiel durch das Gitter.
    Eine Flamme zuckte auf, eine dumpf grollende Detonation folgte, und der Betonschacht zersprang wie eine Hutschachtel. Der Passant wurde völlig zerfetzt.
    Das Schutzgitter flog durch die Luft, krachte auf den Bürgersteig, überschlug sich wie ein

Weitere Kostenlose Bücher