Die Poison Diaries
rollt sich auf dem Boden hin und her wie ein Fass an Deck eines Schiffes, das sich im Sturm aus der Vertäuung gelöst hat. Beinahe hätte er Vater zu Fall gebracht.
Langsam umkreisen wir beide den Tisch, das tödliche Festmahl zwischen uns. Ich werfe einen Blick auf Vaters Teller. Er hat nicht annähernd so viel gegessen wie Pratt, aber es ist genug. Es wird einfach nur ein wenig länger dauern, bis das Gift seine Wirkung entfaltet. Darüber bin ich froh, denn es bedeutet, dass er länger leiden wird.
»Mörderin! Das Gift war für mich bestimmt!«, tobt er.
»Genauso wie deins für mich, Vater. Und für meine Mutter.« Ich schleudere das Messer auf ihn und renne zur Tür, stolpere aber über Pratts unförmigen, zuckenden Körper.
Die Klinge hat Vater am Arm getroffen und einen langen oberflächlichen Schnitt hinterlassen. Er betrachtet die Wunde mit einem Ausdruck der Überraschung im Gesicht. Instinktiv greift er nach einer Leinenserviette und versucht, den Blutfluss zu stoppen. Ich lache. Er wird tot sein, ehe der Blutverlust ihn auch nur schwächen könnte.
Das scheint auch ihm klarzuwerden. Er lässt die Serviette fallen und stürmt wieder auf mich zu. Ich kauere mich nieder, als er sich über mir auftürmt. Jetzt hat er das Messer in der Hand. In dem Moment, in dem er es zum tödlichen Stoß erhebt, sehe ich es: Sein Gesicht verändert die Farbe, als der erste Schmerz einsetzt.
»Nein!«, schreit er und krümmt sich. Das Messer fällt klappernd zu Boden. »Nein! Ich … werde … mich … nicht … unterwerfen …«
Ich reiße ihm den Schlüsselring vom Gürtel und weiche zurück. »Komm mit, Vater«, locke ich von der Tür aus mit einer Kleinmädchenstimme. »Komm mit in den Apothekergarten und ich zeige dir, mit welchen deiner geliebten Pflanzen ich deine Speise gewürzt habe.«
»Du Teufelin!« Er taumelt auf die Tür zu. »Du weißt nichts von den … Gefahren … im Inneren …«
»Ich weiß mehr als du dir vorstellen kannst.« Ich haste aus dem Haus und wende mich in voller grausamer Absicht dem Hügel zu. Jahrelang hat mich Vater aus seinem kostbaren Garten ausgesperrt, aber die Giftpflanzen sind jetzt meine Verbündeten, nicht seine. Je näher ich komme, desto deutlicher höre ich Oleanders ausgelassenes spöttisches Gelächter in meinen Ohren.
Ich schließe das Tor auf, das auf eine leichte Handbewegung hin aufschwingt. Der Garten heißt mich willkommen. Die Pflanzen zittern vor Freude über meine Anwesenheit.
Als er schließlich den Hügelkamm erreicht, blökt mein Vater vor Schmerzen, hält sich den Bauch und würgt Galle empor. Trotzdem folgt er mir in den Garten hinein. Dort bricht er zusammen. Ich sehe zu, wie er sich über die nasse Erde zu mir zieht.
»Jessamine, es ist noch nicht zu spät … wenn du mir sagst, welches Gift du verwendet hast … vielleicht kenne ich ein Gegenmittel …«
»Schau doch in deinem Gifttagebuch nach, Vater. Oder hast du es verlegt? Es wäre wahrlich eine Schande, wenn dein kostbares Buch verlorengegangen wäre.«
Er schaut mit weit aufgerissenen Augen zu mir empor. »Hab Mitleid«, keucht er. »Ich bin dein Vater.«
Ich deute auf die Bewohner dieses Todesgartens. »Dies sind deine wahren Kinder. Nicht ich.«
Er stöhnt, ob als Antwort auf meine grausamen Worte oder wegen der tödlichen Säfte, die durch seine Adern rinnen, vermag ich nicht zu sagen.
»Es ist kein leichtes Sterben, nicht wahr?« Ich kauere mich neben ihm nieder. »Dank dir habe ich selbst von dieser Art Tod gekostet. Mutter allerdings ist den Weg zu Ende gegangen.«
»Deine Mutter … was sie getan hat, tat sie … freiwillig …«
»Dann solltest du genauso willig sein wie sie. Ich weiß doch, wie sehr du vom Gift fasziniert bist. Davon zu sterben, wird dich doch wohl nicht minder faszinieren, nicht wahr?« Ich beuge mich ganz nah zu ihm. »Wie bedauerlich, dass du dir keine Notizen machen kannst.«
Mit diesen Worten lasse ich meinen sterbenden Vater im Dreck liegen.
Die tödlichen Pflanzen nicken und wispern ihren Beifall, als ich den Garten verlasse. Ihre verführerischen Stimmen verhallen ungehört, denn ich habe nicht Weeds Gabe. Aber in meinem Herzen weiß ich, dass sie – und ihr Meister – stolz auf mich sind für das, was ich getan habe.
Ich hebe mein Antlitz zum Himmel in der ängstlichen Hoffnung, einen Blick auf Oleander zu erhaschen.
»Ich tat, was du mir befohlen hast«, flüstere ich. »Bist du zufrieden?«
Eine Dunkelheit streift über den
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