Die Poison Diaries
macht mir das Kochen besonders viel Freude. Ich bereite Rebhühner zu, mariniert in einer Consommé, die ich selbst zusammengestellt habe. Frühkartoffeln, mit Kräutern bestreut, sahniger Spinat und ein Pudding mit Gewürznelken als Nachtisch. Ich decke den Tisch, als würde ich einen Ehrengast erwarten.
Als alles fertig ist, bedecke ich das Essen und ziehe mich zum Beten in den Gemüsegarten zurück. Ich weiß, dass kein Gott mein Vorhaben gutheißen würde. Aber vielleicht haben die Geister der Toten mehr Verständnis für mich.
»Hast du es aus Liebe getan, Mutter?«, murmele ich in meine gefalteten Hände. »Hat dich die Liebe blind gemacht, so dass du dich willentlich in Gefahr begeben hast – dich und dein ungeborenes Kind – nur um ihm zu gefallen?«
Der Wind fährt mir durchs Haar, bringt aber keine Antwort mit. Es ist auch keine nötig. Ich weiß, zu welchen Taten einen die Leidenschaft treiben kann. Ich selbst bin der lebende Beweis dafür.
»Vergib mir«, flüstere ich. »Ich weiß, dass Rache die Toten nicht zurückbringen kann. Wenn du ihn geliebt hast, wirst du mich für das, was ich jetzt tue, hassen. Aber auch die Lebenden wollen Gerechtigkeit.«
Ich stehe auf, wische mir die Erdkrumen von den Knien und gehe zurück ins Haus.
Im Salon sitzt ein Mann.
»Miss Luxton, nicht wahr? Ich erinnere mich an Sie. Meine Güte, sind Sie aber gewachsen!«
Er wendet sich mir zu und mein Herz gefriert. Dieses Gesicht würde ich überall wiedererkennen. Es ist Tobias Pratt, Leiter eines nahe gelegenen Sanatoriums für Geisteskranke – jener entsetzliche Mann, der Weed zu uns brachte, ihn mit sich schleppte, als wäre er ein Bündel Lumpen.
»Mein Vater ist nicht zu Hause«, sage ich rasch. »Ich kann Sie nicht empfangen, Mr. Pratt. Kommen Sie ein andermal wieder.«
»Nicht so schnell, Miss. Ich bin hier wegen der Bezahlung. Wenn meine Quellen mich korrekt unterrichtet haben, schuldet mir Ihr Vater eine hübsche Stange Geld.« Er lacht. »Eine
sehr
hübsche Stange, würde ich sagen.«
Einen schlechteren Zeitpunkt hätte sich dieser Trottel nicht aussuchen können. »Geld?«, wiederhole ich und tue so, als ob ich nicht begreifen würde. »Als Bezahlung wofür?«
»Für diesen grünäugigen Zauberlehrling Weed natürlich! Hat sich der Bengel nicht als nützlich erwiesen? Er und sein Hexenwissen, das er immer vor sich hin brabbelte, und die merkwürdigen Tränke, die er braute. Als ich ihn herbrachte, sagte ich Ihrem Vater, dass ich zurückkehren würde und er mir dann bezahlen solle, was ihm der Bursche wert sei.« Pratt zieht sich einen Stuhl an den Tisch und setzt sich. »So erledigen ehrenwerte Männer ihre Geschäfte, nicht wahr? Ein Vertrag ist nicht nötig; ein einfacher Handschlag reicht völlig aus.«
Er rülpst und leckt sich die Finger. »Bitte um Verzeihung. Aber ich muss gestehen, Miss Luxton, das Essen, das Sie auf den Tisch gebracht haben, roch so köstlich, dass ich nicht anders konnte. Ich habe mir eine Gabel und einen Teller aus der Küche geholt und mir aufgetragen, während ich auf Sie wartete. Es ist ein langer Ritt vom Sanatorium hierher, und noch dazu einer, der hungrig macht. Ein Mann muss schließlich bei Kräften bleiben. Keine Sorge, es ist immer noch genug übrig für Sie und Ihren Vater.« Zufrieden tätschelt er sich den Bauch. »Obwohl ich jetzt einen Becher Ale gebrauchen könnte.«
Ich hebe den Deckel des Warmhaltetopfes an. Ein Hühnerschenkel, drei Kartoffeln und ein großer Löffel des Sahnespinats sind weg.
»Sie sind eine gute Köchin, Miss. Der Mann, der Sie zur Frau kriegt, kann sich glücklich schätzen. Ich darf erwähnen, dass ich selbst noch Junggeselle bin und noch dazu ein wohlhabender Geschäftsmann … ein Mädchen wie Sie könnte es schlechter treffen …«
Ich muss an mich halten, nicht laut loszuschreien. Ich muss dafür sorgen, dass er geht, und zwar schnell, bevor das Gift anfängt zu wirken. »Wie ich schon sagte, mein Vater ist nicht hier, Mr. Pratt. Sie haben keinen guten Zeitpunkt für einen Besuch gewählt, ob nun für eine ausstehende Bezahlung oder aus einem anderen Grund. Bitte gehen Sie jetzt und kommen Sie morgen wieder.«
»Aber Jessamine, spricht man so mit einem Gast?«
Zu meinem Entsetzen tritt Vater ein. Er streckt Pratt seine Hand entgegen, und der springt auf und ergreift sie. »Tobias Pratt. Ich hörte die Stimme eines Mannes, als ich über die Schwelle trat. Ich dachte mir schon, dass Sie es sind. Leider hat sich meine
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