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Die Pollinger-Kinder und der Poltergeist mit dem Holzbein

Die Pollinger-Kinder und der Poltergeist mit dem Holzbein

Titel: Die Pollinger-Kinder und der Poltergeist mit dem Holzbein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josef Carl Grund
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Schlüsselloch.
    Aaah!
    In dem Raum dahinter war es noch finsterer als auf dem Gang, bevor die Frau das Licht angezaubert hatte. Der kleine Bim wußte nicht, daß er sich in einer Flurgarderobe befand. Er merkte nur, daß in dem Riesenturm alles anders aussah als in der Spukruine, in der er auf die Welt gekommen war.
    Sssssssst!
    Er fuhr durch das nächste Schlüsselloch und machte seine erste Bekanntschaft mit einem neumodischen Menschenjungen.
    Der Menschenjunge lag in einem Bett und schlief. Er sah freundlich aus, hatte rote Haare, eine freche Stupsnase und eine ganze Menge lustiger Mückenschisse im Gesicht. (Mückenschisse sind Sommersprossen in der Poltergeistsprache.)
    Poltergeister mögen rothaarige, stupsnasige, mückenschissige Menschenkinder besonders gern. Deshalb gefiel der schlafende Junge dem kleinen Bim vom ersten Augenblick an.
    „Du bist lieb“, sagte der kleine Bim und fuhr dem Menschenjungen ganz sacht über die Stupsnase.
    „Haaa-tschi!“ nieste der Bub und erwachte.
    „Guten Abend“, sagte der kleine Bim.
    Und der Menschenjunge sah und verstand ihn, weil sein Familienname mit „Po“ begann und bei seiner Geburt zweimal der Freitag und zweimal die Dreizehn vorgekommen waren.
    Der Menschenjunge hieß Hans-Heinrich Pollinger, war neuneinhalb Jahre alt und an einem Freitag, dem dreizehnten des Monats, geboren. Die Städtische Klinik, in der er zur Welt gekommen war, lag an der Gustav-Freytag-Straße, und am Geburtszimmer war die Nummer 13 gestanden.
    „Ui!“ rief Hans-Heinrich, als er den kleinen Bim sah und hörte. Dann trommelte er mit beiden Fäusten gegen die Wand.
    „Was ist denn?“ fragte eine verschlafene Stimme von drüben. Der kleine Bim hörte sie schwach, aber deutlich.
    „Komm rüber, Roswitha!“ rief Hans-Heinrich. „Aber mach schnell!“
    „Warum denn?“ klang es durch die Wand.
    „Komm schon!“ drängte der Junge. „So was hast du noch nicht gesehen. Bei mir ist ein Luftballon, der einmal dünn und einmal dick wird; ein Luftballon ohne Haut. Und sprechen kann er auch. Los, beeil dich, bevor er sich verzieht!“
    „Spinnst du?“ spottete die Stimme hinter der Wand.
    „Nein“, rief Hans-Heinrich, „bestimmt nicht! Ganz großes Ehrenwort. — Mensch Meier! Jetzt sieht der Luftballon wie eine weiße Ratte mit einem dicken Schwanz aus, und oben sind drei Löcher drin!“
    Da fand der kleine Bim den rothaarigen, stupsnasigen, mückenschissigen Menschenjungen gar nicht mehr nett. Es war gemein, daß der Bengel ihn mit einer dickschwänzigen durchlöcherten Ratte verglich. Ihn, den Poltergeist, der zwei Opas, zwei Omas und einen Onkel auf dem Jupiter hatte!
    „Bäh!“ fauchte der kleine Bim die Stupsnase im Bett an. „Du siehst wie ein Ferkel aus, das die Masern hat!“
    Da trommelte Hans-Heinrich schon wieder gegen die Wand und rief: „Du, Roswitha, der Luftballon ohne Haut ist eine Wucht. Er hat gesagt, daß ich wie ein Ferkel mit Masern aussehe.“
    „Stimmt“, hänselte die Stimme von drüben, „so siehst du auch aus.“
    „Dumme Gans!“ schimpfte Hans-Heinrich. „Masernferkel!“ kam es zurück.
    „Dann eben nicht“, brummte der Junge, wandte sich dem kleinen Bim zu und fragte: „Wo hast du reden gelernt, du Luftballon?“
    „Ich bin kein Luftballon“, zischte der kleine Bim. „Ich bin ein Poltergeist!“
    „Ja dann!“ sagte der Menschenjunge. „Dann weiß ich auch, warum du im Dunkel so prima schimmerst, ‘tschuldigung, ich wollte dich nicht beleidigen. Du gefällst mir.“
    Der kleine Bim war versöhnt. „Du gefällst mir auch“, sagte er leise.
    Da wurde die Tür geöffnet. Von draußen fiel künstliches Zauberlicht herein, und im Türrahmen stand ein Menschenmädchen in einem rot-weiß-grün gemusterten Schlafanzug. Es sah dem rothaarigen, stupsnasigen, mückenschissigen Jungen auffallend ähnlich.
    Die beiden waren Geschwister.
    Das Mädchen hieß Roswitha Pollinger, war acht Jahre, drei Monate und fünf Tage alt, hatte rote Haare, eine freche Stupsnase und fünf Sommersprossen im Gesicht: drei links und zwei rechts neben der Nase.
    Und weil sie an einem Freitag um dreizehn Uhr als dreizehntes Kind an diesem Tag in der Klinik an der Gustav-Freytag-Straße geboren war, sah und verstand sie den kleinen Bim genauso wie ihr Bruder.
    „Guten Abend“, grüßte der kleine Bim.
    „Guten Abend“, sagte Roswitha.
    „Na also“, murmelte Hans-Heinrich, „da bist du ja endlich.“ Er wies auf den kleinen Bim. „Nun? — Behauptest du immer

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