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Die Portugiesische Reise (German Edition)

Die Portugiesische Reise (German Edition)

Titel: Die Portugiesische Reise (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: José Saramago
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Spätrenaissance, und was die Unvereinbarkeit der Kuppeln angeht, so kann man sich kaum vorstellen, warum drei verschiedene Predigten gleichzeitig gehalten werden sollen, wo doch eine genügt, um den ganzen Raum zu füllen. Das sind Geheimnisse der Kirche, die der Reisende nicht weiter zu ergründen wagt.
    Wäre das alles, was Abrantes zu bieten hätte, so spräche nichts dagegen, diesen Ort zu übergehen, es sei denn die Bürgerpflicht oder das Bedürfnis, sich auszuruhen. Aber in der Igreja da Misericórdia befinden sich bewundernswerte Gemälde, vermutlich von Gregório Lopes, der sich selbst in den frömmsten Bildern durch feine Figürlichkeit auszeichnet. Ganz anders die Modelle oder der Blickwinkel des Mestre de Abrantes, dem man das Gemälde zuschreibt, das in der Kirche Santa Maria do Castelo hängt, wo sich der Reisende inzwischen befindet. Die Jungfrau Maria in dieser Anbetung der Heiligen Drei Könige ist ganz offensichtlich eine Bäuerin, die ihren Sohn, einen künftigen Hirten, anderen Bauern zeigt, deren königliche Gewänder sie nur schlecht kaschieren.
    Einen Besuch von Abrantes mehr als empfehlenswert macht die Kirche Santa Maria do Castelo, wo vor fünfzig Jahren das Museum Dom Lopo de Almeida eingerichtet wurde. Weder die Kirche noch das Museum sind besonders groß, aber die Sammlung ist großartig. Der Reisende unterhält sich gern und stellt möglichst viele Fragen, aber nicht immer findet er damit Anklang. In Abrantes wird er fürstlich belohnt: Der Museumswächter liebt die Dinge, über die er wacht, sie sind sein Augenstern, und er spricht von jedem Stück wie von einem nahen Verwandten. Am Ende sind Wächter und Reisender eins, wahre Gefährten, sie unterhalten sich über die prachtvolle Skulptur der Heiligen Dreifaltigkeit , die Arbeit eines genialen Kopfes namens M. P., und über die beiden kolorierten Bücher in der Sakristei. Mit rührendem Feingefühl zeigt ihm der Mann ein Bild aus dem Messbuch, den Buchstaben N, wenn der Reisende sich recht erinnert, und sein Finger richtet sich auf die Voluten, die Ornamente, den Glanz der Farbe, als zeigte er ihm sein eigenes Herz.
    Noch immer ins Gespräch vertieft, betreten sie einen Durchgang, der in den Chor führt, aber der Reisende bleibt stehen und will keinen Schritt weitergehen, bevor er sich nicht dieses wundervolle Schild eingeprägt hat, das von einem schlichten Blumenornament umrandet ist und auf freier Fläche die drei rührend überflüssigen Worte trägt: »Hic est chorus« , hier ist der Chor. Diese Stufen führen nirgendwo anders hin, es besteht keinerlei Gefahr, dass sich die Seelen und Körper derer, die sie hinaufsteigen, verlaufen könnten, und trotzdem befand irgendjemand, man müsse den Weg kennzeichnen, den einzigen wohlgemerkt. Der Wächter nickt lächelnd mit dem Kopf, vielleicht war ihm das nie aufgefallen, und er wird in Zukunft jedes Mal darauf hinweisen, so wie auf das N. Es sind alles Buchstaben. Als der Reisende oben ankommt, begreift er das Ganze. An der hinteren Wand befindet sich der obere Fries eines Altaraufsatzes aus einer anderen Kirche und darauf zwei Engel aus dunklem Holz, die jubelnd Haupt, Arm und zweifellos auch die Stimme erheben, daher »Hic est chorus « , wie man im ganzen Schiff hören kann. Diese Engel haben ihre eigene Reise hinter sich, es sind frohlockende Engel. »Jubel. Das hier sind wahrhaft jubilierende Engel«, flüstert es neben dem Reisenden.
    Der Wächter begleitet ihn zum Ausgang und zeigt auf den Stein, von dem aus der Überlieferung nach Nuno Álvares Pereira auf seinen Maulesel gestiegen ist, um nach Aljubarrota zu reiten. Auch der Reisende will dorthin, und es ist Zeit aufzubrechen.

Zwischen Mondego und Sado,
überall ein Halt
     



Eine Insel, zwei Inseln
    Gern würde der Reisende dem Ufer des Tejo folgen, doch die Straße führt landeinwärts, und erst ein Stück weiter, hinter Montalvo, nähert sie sich ihm wieder und beschert dem Reisenden statt einem gleich zwei Flüsse. Da ist Constância, die Schöne, noch schöner vom anderen Ufer aus betrachtet, mit seinen Häusern, die sich wie ein großartiges Amphitheater den Hang hinaufziehen, bis zu Nossa Senhora dos Milagres, der Pfarrkirche. Um zu ihr zu gelangen, braucht der Reisende gute Beine und eine gute Lunge. Doch das klare Frühlingswetter überströmt den Weg mit reinem Rosenduft, er spürt die Mühen des Aufstiegs gar nicht.
    Mit ihrer Art von Bildhauerkunst erinnert die Kirche an manche italienischen Barockkirchen, noch

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