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Die Portugiesische Reise (German Edition)

Die Portugiesische Reise (German Edition)

Titel: Die Portugiesische Reise (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: José Saramago
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Alvelos im Südwesten und der Serra Vermelha im Nordosten. Dazwischen fließt das Flüsschen Sertã, das sich hier in einen reißenden Strom verwandelt. Der Reisende hat ein Ziel: Er will nach Álvaro, wohin man nur auf dieser Seite gelangt, und dazu muss er über die Serra Vermelha fahren. Das Gebirge ist, verglichen mit anderen, nicht sonderlich hoch und auch nicht ausgedehnt. Aber seine besondere Großartigkeit besteht in seiner Strenge, einer fast beängstigenden Einsamkeit, seinen tiefen Schluchten, den mit Heidekraut bedeckten Hängen, denen es wahrscheinlich seinen Namen »Rotes Gebirge« verdankt. Die tiefhängenden Wolken verstärken den Eindruck von einer unberührten Welt, in der alle Elemente noch miteinander vermischt sind und die der Mensch nur mit langsamen, genau bedachten Schritten betreten darf, um diese ersten Momente der Schöpfung nicht zu stören.
    Als es wieder bergab geht, kommt der Reisende nicht weit. Die Strecke wird instand gesetzt und ähnelt eher einem Schlammbad als einer Autostraße. Der Regen nimmt kein Ende, ist aber nicht mehr so heftig, jedenfalls bildet der Reisende sich das ein. Aber ein Baggerfahrer, der geschützt in seiner Kabine sitzt, warnt ihn: »Wenn Sie weiterfahren, werden Sie Probleme bekommen.« Hätte der Reisende eine Brieftaube gehabt, hätte er sie mit einer Nachricht nach Álvaro geschickt, aber so bleibt ihm nichts anderes übrig, als umzukehren und weiter entlang des Gebirgskamms zu fahren, und wieder ist alles bedeckt mit Heidekraut und überall tiefe, dunkle Schluchten, es fehlen nur noch Straßenräuber.
    Bei Sertã regnet es dann nicht mehr. Die Straßen, die von hier aus bergab führen, sind schmal und uneben wie Ameisenstraßen. Im Verhältnis zur Erde ist der Reisende natürlich auch nur eine Ameise, aber ein paar lose Steine und Löcher weniger wären ihm lieber. Wer hier entlangfährt, glaubt nicht mehr an die Existenz von Asphalt und Beton. Und da ein Unglück selten allein kommt, verfährt sich der Reisende, vorbei an Sardoal, ohne dass ihm das irgendeinen entschädigenden Vorteil verschafft hätte. Nach endloser Fahrt erreicht er zum Ende des Tages endlich Abrantes.
    Das hier ist bereits der Süden. Vom Fenster seines Zimmers aus sieht der Reisende den Tejo, den breiten Strom, der ihn mal hier, mal dort seit seiner Kindheit begleitet, und er hat Angst, nicht sagen zu können, wie viel er und das Land, durch das er fließt, ihm bedeuten. Aber darum kümmern wir uns später. Erst einmal geht es zurück an die Küste, in eine Gegend, die er in letzter Zeit vernachlässigt hat und die ihn jetzt ruft. Für heute gibt er sich mit dem fast wolkenlosen Abend zufrieden und blickt nachdenklich auf die weiten Ebenen des Südens.
    Von dieser Stadt sagt man »Alles ist wie früher hier, Abrantes ist das Hauptquartier«, ein Ausspruch, der auch sonst gern herangezogen wird. Der Reisende weiß nur wenig über Hauptquartiere, aber von Abrantes lässt sich sagen, wäre alles wie früher, dann wehte hier ein anderer Wind, jedenfalls in künstlerischer Hinsicht. Hier haben die Spitzhacken gewütet, ohne Sinn und Verstand wurde alles niedergerissen, und was danach kam, ist nicht immer erfreulich. Ein im ganzen Land verbreitetes Übel, in Abrantes aber besonders auffällig, weil sich hier wichtige historische Ereignisse zugetragen haben, wovon man aber praktisch nichts mehr sieht. Auch sind einige Baumeister mit ihrer Arbeit nicht fertig geworden, zum Beispiel fehlt bei der Kirche São Vicente ein Turm, und die beiden von São João Baptista sind unvollendet, was wohl daran liegt, dass die Kasse leer war. São Vicente kann der Reisende nur von außen betrachten, was er auch ausführlich tut, wobei ihm besonders die kräftigen Bogenpfeiler der Seitenmauern gefallen und er über den winzigen Campanile lächeln muss, der den fehlenden Turm ersetzt. Da es sonst nichts zu sehen gibt, geht er zur Kirche São João Baptista. Die Kirche steht auf einem tiefergelegenen Platz mit eckigem Grundriss, wodurch sie einerseits etwas untergeht, andererseits aber eine gewisse Intimität gewinnt. Die »philippinische« Architektur gefällt dem Reisenden nicht unbedingt, und die drei verschiedenen Kanzeln passen seiner Meinung nach nicht zusammen. »Philippinisch« heißt in diesem Fall, dass die Erneuerung der Kirche auf Initiative des Königs Philipp II. vorgenommen wurde, der unglücklicherweise ein Faible für ionische Säulen hatte, eine keineswegs überzeugende Errungenschaft der

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