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Die Portugiesische Reise (German Edition)

Die Portugiesische Reise (German Edition)

Titel: Die Portugiesische Reise (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: José Saramago
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auf den kleinen Plätzen irgendein Anzeichen von modernem Leben, dem sogenannten fieberhaften Treiben, zu finden. Ein Eindruck, der die Dauer seines Besuches über bestehen bleibt.
    Allmählich nähert er sich dem Palastgarten. Hier steht das Kruzifix von São João, ein filigran gearbeiteter Stein, auf dem kein einziges Stück glatte Oberfläche zu finden ist. Aber das Kruzifix passt nicht zu dem großen, etwas abseits gelegenen Platz, es steht da, als hätte man es gedankenlos dorthin versetzt. Der Reisende nimmt an, dass es immer schon dort stand. Aber irgendwann hat es sich vom Rest des Platzes abgewandt oder der sich von ihm.
    Der Reisende geht jetzt am Garten entlang, aber noch nicht hinein. Zuerst besichtigt er das Museum, wo er sich an der archäologischen Sammlung erfreut, der Rekonstruktion der Felsenmalereien aus dem Tejo-Tal, darunter ein Herkules, der einen erjagten Hirsch auf den Schultern trägt, sowie an einer hübschen romanischen Statuette sehr viel jüngeren Datums. Der Reisende ist gerührt angesichts der Anrufung der Göttin Trebaruna, der Leite de Vasconcelos seine schlechten Verse und seine wahre Liebe schenkt, und betrachtet die siamesischen Zwillinge, realistisch dargestellt auf einem leider verstümmelten Grabstein. Das Museum von Castelo Branco ist nicht besonders groß, aber es macht Freude. Wunderbar auch der Santo António von Francisco Henriques, er hat das Gesicht eines einfachen Mannes, in der Hand das Buch, auf dem das Jesuskind sitzt, das er kaum zu berühren wagt. Sein Gesicht mit dem dichten, schlechtrasierten Bart macht einen niedergeschlagenen Eindruck, die Augenlider sind halb geschlossen, und es wird mehr als deutlich, dass dieser einfache Mönch nicht der große Prediger ist, der die Fische bekehrt hat, auch der üppige Hintergrund des Bildes mit der Porphyrsäule und der blattwerkverzierten Tapisserie kann der Bescheidenheit dieses Mannes nichts anhaben. Der Reisende betrachtet auf einem ebenfalls aus dem 16. Jahrhundert stammenden Gemälde den Engel der Verkündigung, der durch das Fenster geflogen kommt und eher die Größe eines Kolibris als die eines Boten hat, und dabei drängen sich ihm zwei verschiedene Gedanken auf. Als erster, dass es sicherlich interessant wäre, über die Mosaiken zu forschen, die sich auf diesen Bildern aus dem 16. Jahrhundert befinden sowie auf anderen aus der Zeit vor und nach diesem für die Kunst goldenen Zeitalter: Vielleicht ließen sich bestimmte zeitliche Übereinstimmungen ausmachen, zum Beispiel Ähnlichkeiten in den Motiven oder auch, dass die Werkstätten der Maler und der Mosaikkünstler sich gegenseitig beeinflusst haben. Denn das Informationspotenzial über strukturelle und dekorative Elemente kann mit Almada Negreiros Erkenntnissen von deren Anordnung auf den Wandgemälden in der Kirche São Vicente de Fora kaum erschöpft sein. Was den zweiten Gedanken angeht, so kann es sein, dass er Menschen missfällt, die in religiösen Dingen sehr orthodox sind. Es geht um die Häufigkeit, mit der in diesen Verkündigungsszenen der Maler darauf besteht, das Schlafgemach darzustellen, entweder unter einem niedrigen Bogen, wie hier, oder hinter schweren Vorhängen, wie es sonst oft der Fall ist. Sicherlich war Maria zu diesem Zeitpunkt bereits mit Josef verheiratet, aber da die Empfängnis ja nicht fleischlicher Art war, ist das Bett überflüssig, es sei denn, und das vermutet der Reisende, der Maler hätte nicht vergessen können und es hiermit enthüllt, dass für gewöhnlich an diesem Ort die Kinder der Menschen gezeugt werden. Mit diesen zwei originellen Gedanken im Kopf wendet sich der Reisende der völkerkundlichen Abteilung zu, wo ihm das hohe Alter der Wahlurnen, die absurde Maschine, die per Nummernausgabe über militärische Schicksale entscheidet, die landwirtschaftlichen Geräte und der primitive Webstuhl auffallen. Daneben sind wunderbare Decken aus der Region ausgestellt, und hinter dem Vorhang hört man die Stimmen der Stickschülerinnen, später ärgert sich der Reisende, ihn nicht beiseitegeschoben und den Mädchen einen guten Tag gewünscht zu haben. In einem anderen Raum hängen Banner der Misericórdia, aber so oft übermalt, dass sich nicht sagen lässt, wie sie ursprünglich ausgesehen haben.
    Der Reisende kam übers Erdgeschoss und verlässt das Museum über die Treppe im ersten Stock, und zwar so bischöflich wie nur möglich. Und jetzt endlich geht es in den Garten. Wenn in Monsanto das Volk der Steine lebt, dann ist

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