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Die Portugiesische Reise (German Edition)

Die Portugiesische Reise (German Edition)

Titel: Die Portugiesische Reise (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: José Saramago
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Nirwana ein, schließlich ist dieses der Lethe des Vergessens. Und als er den Fuß an Land setzt, kann er sich des Gedankens nicht erwehren, dass es eine Freude wäre, sich hier für zwei oder zwanzig Tage einzumieten, Unterkunft, Verpflegung und Versorgung der Wäsche, bis die Außenwelt oder die innere Unruhe ihm die Ohren langziehen, damit er lernt, sich nicht vor seinen Pflichten zu drücken.
    Er bleibt keine zwei Stunden. Diese Landschaft aus Wasser und Bergen ringsum, dieser Schweizer See, diese Muße übersteigen das menschliche Maß. Der Frieden ist zu friedlich. Er kehrt an Land zurück, dieses Mal in einem rasend schnellen Boot mit Außenbordmotor, und auch das ist ein angenehmes Erlebnis, sie war kurz, diese Reise zur Insel Lombo, hat sich aber gelohnt.
    Nach Tomar fährt er von der Seite hinein, die der Klosterburg des Tempelritterordens gegenüberliegt, dreht die wegen einer Unterkunft notwendigen Runden, und da für mehr die Zeit an diesem Tag nicht reicht, sieht er sich die Kirche São João Batista und die Synagoge an. Die Kirche hat ein Portal im manuelinischen Stil, dessen Schönheit der nackte Giebel noch betont. Der Glockenturm ist eine schwere Masse, die sich nicht in die äußere Schlichtheit der Kirche einfügen will. Er hat seinen eigenen Wert, und da steht er, um das zu bekräftigen.
    Diese Kirche São João Batista ist geräumig, drei Schiffe mit hohen Spitzbögen. Das höhere Mittelschiff lässt den ganzen Raum luftig erscheinen, doch die Fenster reichen nicht aus gegen das Dämmerlicht, das sich zu dieser Stunde einstellt. Dennoch kann der Reisende ausgiebig und aufmerksam die Tafelbilder von Gregório Lopes bewundern. Dieser Hofmaler muss eine ausgezeichnete Werkstatt unter sich gehabt und auch große Qualitäten als Meister und Lehrer besessen haben – das beweist die Einheitlichkeit in der Ausführung dieser und anderer Tafelbilder, der erlesene Stil in der Ausschmückung, der leichte Übergang in Farbe und Darstellung von einem Motiv zum nächsten. Die Enthauptung , eine theatralische Figurenkomposition, zeigt regelrecht plastische Verzückung in den schräg über den Köpfen erhobenen Hellebarden.
    Die Kanzel, vermutlich von demselben Künstler, der das Portal entworfen und ausgeführt hat, erinnert sowohl in der Verzierung der Einzelelemente als auch in der Gesamtkomposition an die Kanzel von Santa Cruz in Coimbra. Es ist eher eine Goldschmiedearbeit als die eines Steinmetzen. Der Reisende weiß sie zu schätzen, ist aber nicht überwältigt. Nach seinem Geschmack gilt es, wie schon gesagt, die unsichtbare – und deshalb so oft überschrittene – Grenze zu respektieren, hinter der der Stein noch seine eigentliche Natur, die Dichte, das Gewicht bewahrt. Stein – das ist lediglich seine, des Reisenden, Meinung – sollte nicht wie Stuck bearbeitet werden, da aber er (der Reisende) nicht auf seinen Vorstellungen beharrt, ist er bereit, alle Ausnahmen zu akzeptieren und sie ebenso glühend zu verteidigen wie Skulptiertes gegen Ziseliertes, Behauenes gegen Geschnitztes.
    Er verlässt die Kirche mit dem Bedauern, die Taufe Christi nicht gesehen zu haben, die sich in der Taufkapelle befindet. Das Gitter war geschlossen, und sosehr er sich auch bemühte, er konnte nicht mehr als die irdenen Krüge auf dem Gemälde links erkennen, das die Hochzeit von Kanaan darstellt. Die Taufe und die Versuchung blieben für ihn außer Sichtweite.
    Die Sonne steht schon hinter der Burg. Der Reisende geht weiter zur Synagoge, wo ihm die Tür von einem großen, alten Mann geöffnet wird, der Jude sein könnte, es aber mit Worten nicht verrät und, eine alte, zerlesene, speckige Monographie in der Hand, die Geschichte erzählt, die er kennt. Der Raum ist schlicht, aber sehr harmonisch mit dem hohen, von scharfen Gratbögen unterteilten Gewölbe, das auf schlanken, doch exakt geschnittenen Säulen und den Tragsteinen an den Wänden ruht. Ein kurioses Detail sind die ins Mauerwerk eingelassenen Wasserkrüge, in jeder Ecke einer, deren Funktion darin besteht, die Akustik durch Verstärkung der Resonanz zu verbessern. Der Reisende machte die gewohnten und wie gewohnt keineswegs beweiskräftigen Proben. Die Erbauer des griechischen Theaters in Epidauros verfügten über größere Fertigkeiten, etwas zu Gehör zu bringen.
    Am Abend geht er zum Essen ins Restaurant Beira-Rio. Er isst ein grandioses, historisches bife , so wie ein bife schmeckt, wenn es nach all der Veredelung durch das Marinieren zum natürlichen

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