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Die Portugiesische Reise (German Edition)

Die Portugiesische Reise (German Edition)

Titel: Die Portugiesische Reise (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: José Saramago
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eine mit der Jahreszahl 1685 im Sturz.
    Auf diesem Weg scheint es, dass der Reisende direkt zum Meer durchfährt, über Torres Novas und abseits der Serra d’Aire und Serra dos Candeeiros. Wenn Zeit ist, wird er es erreichen, nun jedoch, nachdem er in Atalaia war, will er dieselbe Strecke zurückfahren, noch einmal die Brücke über den Zêzere überqueren und dann, dem linken Ufer flussaufwärts folgend, den Fluss in Castelo do Bode kreuzen. Dieses Hin und Her ist notwendig, sonst bliebe abseits und unerreichbar die schöne Kirche von Atalaia liegen, mit ihrer Fassade, die vermutlich als Vorbild für die Kirche São Vicente in Abrantes gedient hat, und der schönen Innenausschmückung mit herrlichen Azulejos. Die Kirche, am äußeren Rand der Ortschaft errichtet, deren Wachstum sie zum Glück verschont hat, ist mit ihren drei tatsächlichen und scheinbaren fünf Teilen ein faszinierendes Bauwerk. Man möchte hinter den äußeren Bögen Versteck spielen, dieser Gedanke kommt dem Reisenden, beschwingt von der Entdeckung, dass Architektur ganz allein einen Mann glücklich machen kann.
    Er kann nicht alles aufschreiben, was ihm gefällt. Deshalb notiert er lediglich das schöne Rippengewölbe über der Hauptkapelle, den imposanten Barocksarkophag links, die Marienstatue aus dem 14. Jahrhundert, Diogo Pires dem Älteren zugeschrieben, und hat nach Erledigung dieser Pflicht nur noch Augen für die sehenswerten Azulejos, vor allem, o ja, vor allem für die mehrfarbigen Paneele, die die Giebelwände des Mittelschiffs zieren und biblische Szenen darstellen: Die Erschaffung der Welt, Der Sündenfall, Die Vertreibung aus dem Paradies, Kain und Abel, Die Sintflut, Der Einzug der Tiere in die Arche Noah . Es sind naive, gefällig gemalte Bilder, besonders jenes von der Sintflut, wo die Arche schwer und schmucklos auf den Wellen schaukelt. Die Farben, Tiefblau und Orange, illuminieren den gesamten oberen Teil der Kirche, zu dem die Gläubigen den Blick viele Male erhoben haben müssen, als jene Lehren noch ganz und gar ernst genommen wurden, und heute tun sie es vermutlich aus den gleichen Gründen freiwillig, doch vor allem, weil diese Gemälde ein bewunderungswürdiges Werk der Volkskunst sind, von einer nur selten erreichten Qualität. Beim Gehen fällt es dem Reisenden schwer, dieses einzigartige Gotteshaus mit seiner »breitschultrigen« Fassade zu verlassen, die hinter sich die Gewölbepfeiler verbirgt, an denen sich der Korpus des Bauwerks abstützt. Aber Notwendigkeit vermag vieles, also auf zum Zêzere.
    Die Landstraße verläuft auf einer Strecke von drei Kilometern oberhalb des Ufers. Dann geht es bergauf, und nach einer Meile taucht der Stausee auf. Castelo do Bode. Die große Talsperre ist bis an den Rand gefüllt, eine mächtige Wassermasse, ein Binnenmeer, das seine Arme in sämtliche Täler hineinstreckt. Sowenig der Reisende von der Kriegskunst versteht, so wenig versteht er vom Wasserbau. Folglich kann er ganz berechtigt darüber staunen, dass diese Betonmauer, auch wenn sie riesig ist, auch wenn ihre Tiefenstruktur und der unter Wasser liegende Teil genauestens berechnet sind, dem Druck von Wasser, das sich in gerader Linie über mehr als dreißig Kilometer erstreckt, ohne Zwischendämme standhalten kann. Der Reisende hat übrigens diese gute Eigenschaft: Er bewundert alles, was er nicht selbst machen kann.
    Nach Tomar ist es nicht weit, und da der Tag so schön ist, beschließt er, nach Beberriqueira zu fahren, durch die Wälder an diesem Ufer des Zêzere, bis er Serra erreicht und ein Stück weiter abermals die Talsperre. Es ist eine Strecke, an der sich das Auge labt, weite Aussichten auf das frische Grün der Bäume, weiches Licht, durch das Laub gefiltert, mehr braucht es nicht, um einen Reisenden glücklich zu machen.
    Als er zum Ufer hinunterfährt, hat er die Insel Lombo vor Augen, ein kleineres Almourol, ohne Burg, nur ein paar Gebäude, ein Anleger, von hier kaum zu erkennen. Als die Talsperre noch nicht existierte, vermutet der Reisende, verlief der Fluss auf der einen Seite, und was heute eine Insel ist, war damals vielleicht ein in das Flussbett hineinragender Hügel. Nicht, dass das von Belang wäre, der Reisende beschäftigt sich nur gern mit solchen Überlegungen. Nun fährt er im Boot über das klare, tiefgrüne Wasser, und während er sich vom Ufer entfernt, fühlt er sich befreit von Sorgen und Zeitdruck, ja sogar von seiner eigenen Reiselust. Er zieht sich von der Welt zurück, tritt ins

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